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Ferngesteuert. Einer Bundestagsstudie zufolge vergiften Meinungsroboter, sogenannte Social Bots, die politische Debattenkultur.

© dpa

Pro und Contra Meinungsroboter: Gute Bots, schlechte Bots

Meinungsroboter können angeblich die Debattenkultur und sogar Wahlergebnisse beeinflussen. Wie ernst ist diese Gefahr zu nehmen?

„Wir wussten, dass es ein Thema mit ungeheurer Sprengkraft ist“, sagt Dietmar Janetzko. Trotzdem ahnten er und sein Kollege Simon Hegelich nicht, welches Ausmaß die Debatte annehmen würde. Nachdem ihre Arbeit erschien, sprach sogar die Bundeskanzlerin über die Gefahr der Meinungsroboter. Im Jahr 2016 veröffentlichten Janetzko, Professor für Wirtschaftsinformatik an der Cologne Business School, und Hegelich, Professor für Political Data Science an der TU München, eine Forschungsarbeit über den Einsatz von Social Bots auf Twitter im Ukrainekonflikt. Das Problem war für Experten nicht neu, aber als Bundeskanzlerin Merkel im Oktober über die Gefahr von Meinungsrobotern sprach, waren Bots plötzlich in aller Munde.

Einer Bundestagsstudie zufolge vergiften Social Bots die politische Debattenkultur und können bei knappen Mehrheiten Wahlergebnisse beeinflussen. Dadurch hätten sie das Potenzial, „das Vertrauen in die Demokratie zu unterlaufen“, heißt es demnach in einem Bericht des Büros für Technikfolgenabschätzung im Bundestag. In Krisenzeiten könnten Social Bots die Gesellschaft destabilisieren und verunsichern. Wegen der Gefahren, die von Social Bots ausgehen, fordert die Bundestagsfraktion der Grünen „eine gesetzliche Festlegung einer Transparenz- und Anzeigepflicht für den Einsatz von Social Bots“. Bot-Einträge müssten gekennzeichnet werden.

Der Netzexperte Linus Neumann hält die Diskussion um politische Einflussnahme durch Social Bots allerdings für unverhältnismäßig. „Wenn ich einen Effekt empirisch schwer nachweisen kann, würde ich mir als Wissenschaftler darüber Gedanken machen, wie groß dieser Effekt überhaupt sein kann“, sagte der Sprecher des Chaos Computer Clubs am Donnerstag bei einem öffentlichen Fachgespräch des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgeabschätzung. „Dieser Unsinn, der über die Wahlmanipulation durch Social Bots jetzt verbreitet wird, wird nur durch eines überboten: Und das sind die politischen Reaktionen darauf.“

Die Zukunft der Bots im Messenger-Bereich

Der Begriff „Bot“ kommt von „Robot“. Darunter versteht man Programme, die weitgehend automatisiert bestimmte Aufgaben erledigen. Bots stecken in Computerspielen, wo sie Gegenspieler simulieren, und hinter Apples Spracherkennungssoftware „Siri“. Auch der Bundestag verfügt über einen Bot: Der „Bundesadler“ beantwortet auf der Webseite des Bundestages Fragen rund um das Haus und seine Abgeordneten. Dabei handelt es sich um Chatbots, die einen Dialog mit dem Nutzer ermöglichen. Ebenso bekannt sind Spambots, die im Internet Spam verschicken, wie ihn fast jeder User schon im E-Mail-Postfach hatte.

Ein aus Deutschland kommender Chatbot heißt „Resi“ und wurde von Martin Hoffmann, früher Social-Media-Chef bei WeltN24, entwickelt. Resi ist eine App, die ihren Nutzern Nachrichten im Chatformat liefert; kurz und knapp, mit weiterführenden Links. Dahinter steckt eine Redaktion, die die Inhalte erstellt und kuratiert – eine menschliche Intelligenz. Hoffmann glaubt, dass die Zukunft der Bots im Messenger-Bereich liegt.

Anders als Resi arbeitet Facebooks Messenger-Bot „Poncho“ mit künstlicher Intelligenz. Man kann die kleine Katze mit dem gelben Regencape nach dem Wetter fragen, aber auch mit ihr chatten. Während bei Poncho und Resi die Welt noch in Ordnung ist, ging Microsofts Bot-Versuch schief. 2016 veröffentlichte das Unternehmen den Chatbot „Tay“, der wie eine 19-Jährige twittern und durch Interaktion mit anderen Nutzern klüger werden sollte.

Da Tays Lernfähigkeit keine moralischen Schranken kannte, lernte sie auf Twitter rasch rassistische und sexistische Sprüche und zwitscherte diese hinaus. Daraufhin nahm Microsoft Tay wieder vom Netz. Der Missbrauch von Bots lässt sich kaum verhindern, sagt Janetzko. Technisch und rechtlich gebe es kaum Möglichkeiten, schon an der Definition hapert es.

Janetzko geht davon aus, dass Polizei und Nachrichtendienste in Zukunft Social Bots einsetzen werden, die „Patrouille gehen“. Die Beamten könnten einen Twitter-Account erstellen, der islamistische Nachrichten sendet, um Sympathisanten zu identifizieren.

An Smart-Home-Geräten wie Amazon Echo und Google Home zeigt sich, was Janetzko schon lange vermutet: „Bots werden unsere Interfacekultur revolutionieren, also Eingabeinstrumente wie Tastatur und Maus.“ Amazon Echo kann auf Zuruf so ziemlich alles, von Taxi bestellen bis Schuhe kaufen. Das Gerät bereitet Datenschützern Sorgen, da es ununterbrochen seine Nutzer belauscht. „Man tauscht Bequemlichkeit gegen Privatheit“, sagt Janetzko.

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