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Vor 300 Jahren gelangte mit Herzog Georg Ludwig ein Welfe auf den englischen Thron. Im Jubiläumsjahr will die Familie – im Bild der Stammsitz Schloss Marienburg – von angeblichen dunklen Geschäften offenbar nichts wissen.

© picture alliance / dpa

Profiteure von Arisierung und Weltkrieg?: ARD-Dokumentation wirft Welfen dunkle Geschäfte vor

Eine ARD-Dokumentation untersucht „Die dunklen Geschäfte der Welfen“. Familienoberhaupt Ernst August will sich dazu nicht äußern, sein Bruder Heinrich schon.

Europas ältestes Fürstenhaus begeht in diesem Jahr ein denkwürdiges Jubiläum. Vor 300 Jahren wurde ein Welfe – Georg Ludwig Kurfürst von Hannover – zum englischen König gekrönt. In den nächsten 123 Jahren stellte das Haus Hannover fünf Könige, bis die Macht mangels Nachkommen auf Königin Viktoria überging. Mit zahlreichen Veranstaltungen wird in Niedersachsen die Inthronisation von George I. gefeiert. Die ARD-Dokumentation, die an diesem Montagabend im Ersten gezeigt wird, hat jedoch mit dem königlichen Jubiläum nichts zu tun. Der einstündige Filmbeitrag „Adel ohne Skrupel. Die dunklen Geschäfte der Welfen“ beleuchtet ein anderes Kapitel der Familiengeschichte.

Der Welfenherzog Ernst August von Braunschweig und Lüneburg, Großvater des derzeitigen Familienoberhaupts, habe zu den großen Profiteuren der Arisierung während des Nationalsozialismus gehört, lautet der Vorwurf der Autoren Michael Wech und Thomas Schuhbauer. Zudem habe das Haus Hannover gleich mehrfach am Zweiten Weltkrieg und dem millionenfach Leid verdient, indem die Welfen in Österreich ein Rüstungsunternehmen betrieben hätten und überdies Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge in unterirdischen Werken ausgebeutet worden seien. Auch beinahe 70 Jahre nach Kriegsende habe die Familie dieses dunkle Kapitel ihrer Geschichte noch immer nicht aufgearbeitet.

Es sind harte Beschuldigungen, die die Dokumentation von Eco Media – Geschäftsführer ist der für seine Filme und Porträts mehrfach ausgezeichnete Stephan Lamby – vorbringt. Die Welfen-Doku beruft sich auf Recherchen, die in drei Jahren entstanden sind, auch durch Mithilfe der beiden Historikerinnen Ulrike Felber und Sabine Loitfellner, die sich durch die Archive kämpften. Was sie herausgefunden haben, ist durchaus brisant, denn es steht im Widerspruch zu der offiziellen Linie der Familie. Die Welfen stellen zwar nicht in Abrede, dass bei der sogenannten Arisierung zuvor jüdische Unternehmen erworben wurden – dies sei jedoch immer auf freiwilliger und menschlich fairer Basis erfolgt.

Für die Dokumentation wurde drei Jahre lang recherchiert

Die ARD-Doku zeichnet ein anderes Bild. So habe Herzog Ernst August das Unternehmen des österreichischen Juden Lothar Elbogen – Bergwerke und eine Talkum-Produktion – nach dem „Anschluss“ weit unter Wert gekauft. Dem Welfen- Oberhaupt sei bekannt gewesen, dass Elbogen inhaftiert und misshandelt wurde, er soll sogar darauf gedrungen haben, dass Elbogen erst entlassen wird, nachdem er auch die ausländischen Firmenwerte auf ihn übertragen habe. Aus der Luft gegriffen sind die Vorwürfe offensichtlich nicht: Nach dem Krieg verurteilte ein Gericht die Familie dazu, die Hinterbliebenen für dieses Unrecht zu entschädigen.

Ernst August Erbprinz von Hannover, das derzeitige Oberhaupt der Welfenfamilie, wollte sich nicht zu den Fragen der Dokumentaristen äußern und lehnte eine Interviewanfrage freundlich aber bestimmt ab. Sein Bruder Heinrich hatte hingegen keine Bedenken, vor der Kamera Auskunft zu geben. Geschickt haben Wech und Schuhbauer die Antworten von Heinrich von Hannover mit den Ergebnissen ihrer Recherchen verwoben – nicht unbedingt zum Vorteil des redseligen Welfen-Sprosses und Historikers. Der räumt freimütig an, dass die Familie während der NS-Zeit Zugang zur Macht hatte. „Das war ambivalent, man musste kooperieren. Man war entweder Opfer, im Widerstand oder Täter“, versucht Heinrich von Hannover den historischen Kontext herzustellen. Der Zuschauer wird dabei mit Fotografien aus dem Familienbesitz der Welfen konfrontiert. Sie zeigen die Familie neben Vertretern des NS-Regimes, die Hand zum Hitlergruß erhoben. „Das war normal, da hat sich niemand etwas dabei gedacht“, sagt Heinrich.

Der Film macht aber auch vom Stilmittel des Reenactment Gebrauch, bei dem historische Szenen von Schauspielern nachgespielt werden. Bei belegten geschichtlichen Ereignissen ist dies ein erprobtes Mittel, um Geschichte lebendiger darstellen zu können. Anders verhält es sich, wenn mit den Spielszenen die Historie erst belegt werden soll.

Fragwürdig: Spielszenen sollen Geschichte belegen statt belegte Geschichte lebendig machen

In einer dieser Spielszenen sieht man Großvater Ernst August mit einer Zeitung, darin eine Rede von ihm. „So wollen wir auch heute auf der Grundlage wahrer Volksgemeinschaft im Dienste von Reich und Heimat dem Führer, Kanzler Adolf Hitler, folgen“, wird aus der Rede zitiert. Das war 1933. „Aber nationalsozialistisch war man in keinster Weise veranlagt“, wird Heinrich dagegengeschnitten.

„Die Story im Ersten: Adel ohne Skrupel - Die dunklen Geschäfte der Welfen“, ARD, Montag, 23 Uhr

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