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© picture alliance / HELMUT FOHRIN

Samstag wird "Spiegel"-Tag: „Zwei Tage hinterher“

„Der Spiegel“ erscheint 2015 samstags statt bisher montags. Das birgt Risiken und Nebenwirkungen, sagt der Medienwissenschaftler Stephan Russ-Mohl im Tagesspiegel-Interview.

Herr Russ-Mohl, der „Spiegel“ hat angekündigt, den Erscheinungstermin des Nachrichtenmagazins 2015 von Montag auf Samstag zu verlegen. Überrascht Sie dieser Schritt?

Jein. Ich bin mir sicher, dass die Marktforschung dem „Spiegel“-Verlagsmanagement und der Chefredaktion bestätigt hat, dass wir am Wochenende mehr Zeit für anspruchsvolle Lektüre haben. Wenn wir zu Print greifen, dann tun wir das am liebsten zu einem Zeitpunkt, wo wir uns im Sessel zurücklehnen können. Andererseits sind wir alle Gewohnheitstiere – und eingefleischte „Spiegel“-Leser werden sich 2015 umstellen müssen. Das ist für die Redaktion mit Risiken behaftet, denn wer kann schon vorhersagen, ob sie das wirklich tun.

Auf den Samstag als Erscheinungstag ist bisher keine Wochenpublikation gekommen, weder die „Zeit“ noch der „Focus“ noch der „Stern“. Ist der Samstag als neuer „Spiegel-Tag" wirklich geeignet?

Im Prinzip ja, gerade weil an diesem Tag kein anderes Wochenmagazin erscheint. Allerdings gibt es die Konkurrenz zu den prallen Wochenendausgaben der Tageszeitungen, während am Montag die Zeitungen eher etwas dünner als sonst sind. Außerdem war der „Spiegel“ bisher im Wochenablauf dem „Stern“ und der „Zeit“voraus, jetzt hinkt er zwei Tage hinterher. Was ja auch heißt, dass sich der ein oder andere schon mit Wochenendlektüre eingedeckt hat, wenn der „Spiegel“ am Kiosk auftaucht. Außerdem konnte das Magazin darauf hoffen, von vielen Zeitungen in ihrer Montagsausgabe häufig zitiert zu werden – was ja auch den Kioskverkauf anheizt. Das wird im Blick auf die veränderte Nachrichtenlage schwieriger, wenn der „Spiegel“ am Samstag erscheint. Am Freitag herrscht in den Redaktionen Hochbetrieb, und Vorab-Meldungen eines Wettbewerbers werden dann vielleicht öfter im elektronischen Papierkorb landen als bisher.

Ist es in Zeiten des permanenten Informationsflusses auf den Onlineplattformen noch entscheidend, wann ein Wochenmagazin erscheint?

Ich glaube, für ein Printprodukt ist das sehr entscheidend. Und auch wer den „Spiegel“ auf seinem Handy, iPad oder Computerbildschirm lesen möchte (das Magazin, also nicht nur die News-Website Spiegel Online), hat dafür am Wochenende eben mehr Zeit als montags.

„Spiegel“-Chefredakteur Wolfgang Büchner begründet die Verlegung so: „Wir wissen von unseren Lesern, dass viele das Wochenende als Hauptlesezeit sehen.“ Hat er recht, gehört bei der Mediennutzung das Wochenende vornehmlich dem Print?

Ja, Büchner hat recht, auch wenn Print langfristig ein Auslaufmodell ist. Ob Print oder Online, darauf kommt es nicht an. Das Zeitbudget der Leser/User zählt vor allem, denke ich …

Büchner sagt im „FAZ“-Interview auch: „Spiegel Online soll sehr viel offensiver zeigen, dass wir ein Premiumprodukt namens ,Der Spiegel’ haben“. Dahinter steht offenbar die Überzeugung, dass Print und Online mit unterschiedlichen, auf jeden Fall unterschiedlich aufbereiteten Inhalten das jeweilige Publikum locken sollen. Taugt dieser Ansatz?

Auch hier geht es langfristig nicht um Print oder Online, sondern darum, dass wir Internetnutzer umerzogen werden sollen (und wohl auch müssen): Premium-Inhalte gibt es online nicht mehr umsonst, weil journalistische Qualität halt Geld kostet. Das umzudrehen, wird schwierig, weil die Verlage die jungen Leute über Jahre hinweg mit ihren Gratisgaben „angefixt“ haben – in der falschen Hoffnung, ihre Online-Offerten allein durch Werbung finanzieren zu können. Inzwischen wissen die Verlagsleitungen und Chefredakteure, dass die Werbung zu den Suchmaschinen und zu den sozialen Netzwerken wandert, weil Werbetreibende dort ihre Zielgruppen besser und billiger erreichen. Es wird in Zukunft darauf ankommen, die Cross-Promotion von Gratis-Webangeboten und Bezahl-Inhalten aufeinander abzustimmen. Das versucht offenbar die neue „Spiegel“-Chefredaktion vermehrt, während sich die alte wechselseitig blockiert hat.

Stephan Russ-Mohl leitet an der Universität Lugano das European Journalism Observatory (http://en.ejo.ch/). Mit dem Medienwissenschaftler sprach Joachim Huber.

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