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DDR-Dokumentation: Sechs Freunde und ein Stasi-Spitzel

Während die Studenten über die Zukunft der ostdeutschen Gesellschaft diskutierten, saß der SED-Staat mit am Tisch. Ein bewegender Film nicht nur über große Politik, sondern über persönliches Vertrauen und Enttäuschung.

Arnold Schölzel verließ seine Heimatstadt Bremen, um in die DDR zu gehen. Seine neue Heimat suchte sich Schölzel aus Überzeugung. Denn er war schon in jungen Jahren Sozialist, andere würden sagen: Kommunist. Und damit nicht allein. Viele seiner Kommilitonen an der Berliner Humboldt-Universität glaubten an die Werte des Sozialismus. Nur eben nicht alle an den Staat. Viele träumten von einem Sozialismus mit menschlicherem Antlitz. Dies tat auch die Gruppe, der sich Schölzel anschloß. Im kleinen Kreis diskutierte man den Istzustand der Republik und kam zu der Erkenntnis, das es so nicht weitergehen könne. Der 9. November 1989 war der Tag X, auf den man hoffte. Doch während die Studenten über die Zukunft der ostdeutschen Gesellschaft diskutierten, saß der SED-Staat mit am Tisch.

Das Antlitz des real existierenden Sozialismus war in diesem Fall das Gesicht von Arnold Schölzel. Als „IM André Holzer“ spionierte er in den späten 70ern diejenigen aus, die ihn für einen Freund hielten. Unter ihnen war auch Klaus Wolfram, dessen ehemalige Frau Inga nun 17 Jahre nach der Einheit mit ihrem Dokumentarfilm „Verraten – sechs Freunde und ein Spitzel“ die Geschichte der Gruppe und des Denunzianten erzählt. Es ist ein bewegender Film, geht es doch nicht nur um die große Politik, sondern um persönliches Vertrauen und Enttäuschung. Um Schuld und Sühne. „Das dokumentarische Gegenstück“ zu „Das Leben der Anderen“ nennt der ehemalige SED-Bezirkschef von Berlin, Günter Schabowski, den Film. Und „Verraten“ hilft in der Tat, das Leben im Osten besser zu verstehen. Inga Wolfram erliegt nicht der Versuchung, den Film als Rache an Schölzel, der heute Chefredakteur der sozialistischen Tageszeitung „Junge Welt“ ist, zu nehmen. Es ist ein zeitgeschichtliches Dokument, politisch, persönlich, spannend. Schölzel gibt in dem Film zu, IM gewesen zu sein. Reue zeigt er nicht. psil

„Verraten – sechs Freunde und ein Spitzel“, Mittwoch, ARD, 23 Uhr 30

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