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Seriencheck I: Die Drei von der Zankstelle

RTL versucht, mit überdrehten Frauen die deutsche Fiction zu retten. Der Privatsender schickt drei Serien ins Quotenrennen.

„Heilige F... Sch.....“ Fritzi Frühling, die Heldin der RTL-Serie „Doc meets Dorf“, mag es deftig. Die Zielgruppe, die der Kölner Privatsender und sein Programmchef Frank Hoffmann im Auge haben, offenbar auch. Unter 30 soll laut Marktforschung der Zuschauer sein, der am Donnerstag abend mit gleich drei neuen Formaten am Stück vor dem Bildschirm gehalten werden könnte. Besser gesagt: Zuschauerinnen. Denn auf dem Primetime-Programmplatz, wo vorher Autos durch die Luft jagten, wo „Alarm für Cobra 11“ über Jahre die einzige nennenswerte Eigenproduktion von RTL war, haben nun überdrehte Frauen das Sagen.

Vor allem jene Herzchirurgin Fritzi Frühling, die nach dem bekannten Motto „Großstadtpflanze zieht wider Willen aufs Dorf“ in einem brandenburgischen Kaff namens „Kanada“ eine Peinlichkeit nach der anderen erlebt. Herz, Schmerz, Romantik, das wirkt größtenteils wie am Reißbrett entworfen (Buch: Miriam Rechel) und lässt manchmal das öffentlich-rechtliche Landserien-Pendant „Mord mit Aussicht“ schmerzlich vermissen. Andererseits wird „Doc meets Dorf“ von einer hinreißend schlagfertigen Schauspielerin über schwächere Momente hinweggehoben: Inez Bjorg David, bekannt aus „Verbotene Liebe“ und Simon Verhoevens Film „Männerherzen“.

Das Ganze ist eine Produktion der Ufa-Tochter Teamworx, die neuerdings ja Ufa Fiction heißt, und trägt die Handschrift von Steffi Ackermann. Die Produzentin hat 2008 mit der RTL-Serie „Doctor’s Diary“ bewiesen, dass das mit den anspruchsvoll-unterhaltsamen deutschen Serien kein Ding der Unmöglichkeit ist. Zuschauer, die bei „Doctor’s Diary“ dranblieben, sollten jedenfalls auch „Doc meets Dorf“ mitnehmen.

Und hinterher am besten noch „Christine – Perfekt war gestern“, eine achtteilige Comedyserie um die Nöte einer alleinerziehenden, chaotischen Großstadtmutter. Die wird gespielt von Diana Amft – beliebt und bekannt aus, richtig, „Doctor’s Diary“. Da kann nicht viel schiefgehen. Timing und Situationskomik (Buch: Markus Barth und Marco Lucht) sitzen besser als bei „Doc meets Dorf“, was auch an der Länge des Formats liegen kann (23 statt 42 Minuten). Sätze wie „Wir leben im 21. Jahrhundert der Unverbindlichkeiten, denk’ an die vielen Brotmarken, Autotypen oder Möglichkeiten zum Sex …“ hört man sonst in US-Comedy-Serien und lassen über Handreichungen aus der Ratgeberecke („Wie angele ich mir einen Mann im Bioladen?“) hinwegsehen.

„Christina. Perfekt war gestern!“ macht richtig Spaß. Dagegen sieht die letzte halbe Stunde des neuen Serienabends bei RTL alt aus. Tippse doof und devot und in der Regel auch blond oder langbeinig oder beides, Chef jähzornig und allzeit bereit – das geht klischeemäßig ein bisschen zu weit (oder funktioniert bei „Stromberg“ besser). Selbst wenn Ellenie Salvo González in der Rolle der tollpatschigen Katja in der zweiten Episode bei einer Präsentation ein Erfolg über das „starke“ Geschlecht zugedacht ist. Wer sich „Sekretärinnen – Überleben von 9 bis 5“ ausgedacht hat, muss zur Strafe mit seiner wehrhaften Sekretärin – sollte er denn eine haben – eine Woche lang die Rollen tauschen.

Dennoch, alles in allem ist RTL für diese Serien zu loben. Zuletzt hatte der Marktführer an Marktanteilen verloren. Und darauf nicht nur mit Casting-Shows und Sripted Reality, sondern mit mehreren, forschen Eigenproduktionen zu reagieren und dabei die erste sogenannte werberelevante Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen etwas aus den Augen zu verlieren, das zeugt von Mut des RTL-Programmgeschäftsführers Hoffmann. In dem Umfeld muss erst mal Werbezeit an Mercedes verkauft werden. Noch nie ist in einer deutschen Serienstunde so oft „verfickt“ oder „fucking Scheiße“ gesagt worden. Brandenburg sei dank.

„Doc meets Dorf“, 20 Uhr 15, „Christine. Perfekt war gestern“!, 21 Uhr 15, „Sekretärinnen – Überleben von 9 bis 5“, 21 Uhr 45, alle Donnerstag bei RTL

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