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Faszination Facebook. Ein Suchtproblem?

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Suchtpotential: Warum wir von Facebook nicht loskommen

Umfragen zeigen: Die Nutzer sind so unzufrieden mit Facebook wie nie. Aussteiger sind trotzdem selten. Die Plattform kann auf ihr Suchtpotenzial bauen – und richtet ihre Strategie danach aus.

Es ist schon merkwürdig. Wenn Nutzer gefragt werden, wie zufrieden sie mit Facebook sind, drehen viele den Daumen nach unten, „unlike“. Facebook ist unter allen sozialen Netzwerken das unbeliebteste, zeigt der kürzlich veröffentlichte American Consumer Satisfaction Index, eine Umfrage zur Kundenzufriedenheit mit Produkten und Dienstleistungen unter amerikanischen Bürgern. 61 von 100 Punkten erreicht Facebook, das sind noch einmal fünf Punkte weniger als im Vorjahr. Und das ist ein deutlicher Abstand zur Konkurrenz. Google Plus kommt auf 78 Punkte.

Grund für das schlechte Abschneiden sei die Unsicherheit der Nutzer darüber, was Facebook mit ihren Daten mache. Auch, dass das Netzwerk mehr und mehr zur Marketingplattform für Unternehmen werde, schlage auf die Stimmung. Doch trotz dieser Unzufriedenheit ringen sich nur wenige Mitglieder dazu durch, ihr Konto zu kündigen. Sie drohen damit zwar in Foren, besonders dann, wenn Facebook mit neuen Privatsphäre-Einstellungen negative Schlagzeilen macht oder, wie zum Jahresende, mit seiner Tochter Instagram. Selten aber trifft das Sprichwort so gut zu wie auf die Nutzer des Netzwerkgiganten: Hunde, die bellen, beißen nicht.

Mehr als eine Milliarde Mitglieder zählt das Netzwerk inzwischen, das verkündete Facebook-Gründer Mark Zuckerberg im September. Tendenz steigend – warum also sind die Nutzer trotz ihrer Unzufriedenheit so anhänglich, ja regelrecht zutraulich?

„Dass Facebook weiterhin neue Nutzer gewinnt, ist durch zweierlei bedingt. Zum einen dadurch, dass jüngere Menschen in ein Alter kommen, in dem sie Facebook nutzen dürfen. Vor allem ist das Wachstum begründet durch den Netzwerk-Effekt“, sagt Arun Sundararajan, Ökonom und Professor an der Stern School of Business der New York University. Demnach verlagere sich die soziale Interaktion immer mehr auf die Plattform. „Je aktiver Mitglieder auf Facebook sind, desto wichtiger wird das Netzwerk automatisch auch für deren Freunde und Bekannte. Sie sind quasi dazu gezwungen, Mitglied zu werden, um mit ihren Freunden verbunden zu bleiben und Bescheid zu wissen, welche Partys es gibt und was gerade angesagt ist“, erklärt er.

Das schließe aber nicht aus, dass die Nutzer sensibel auf Änderungen reagierten, die die Privatsphäre beträfen. „Sie haben das Gefühl, dass Facebook ein Teil ihres persönlichen Lebensraums ist, ein Ort, den sie besitzen, in dem sie ihr Sozialleben pflegen. Im Gegensatz zu Orten wie Amazon, wo es nur darum geht, Transaktionen zu tätigen, also nach Ware oder Informationen zu suchen“, sagt Sundararajan. „Um es mit einer Analogie aus der physischen Welt zu verdeutlichen: Generell mögen wir es nicht, wenn andere Menschen Informationen über uns sammeln – aber wenn uns jemand in unserer Privatsphäre, in unserem eigenen Haus oder dem eines Freundes beobachtet, lehnen wird dies natürlich sehr viel stärker ab, als wenn dies in einem Supermarkt geschieht.“

Hat diese ablehnende Haltung aber am Ende keine Folgen, wenn die Zahl der Facebook-Mitglieder kontinuierlich steigt? Neben den Mitgliedezahlen gibt es noch einen weiteren Indikator, nämlich den der monatlich aktiven Nutzer, also solcher, die sich pro Monat mindestens einmal eingeloggt haben – für Facebook eine entscheidende Zahl, schließlich nützen eine Milliarde Mitglieder nichts, wenn diese ihr Konto brachliegen lassen und die auf Facebook geschaltete Werbung damit quasi ins Leere laufen würde. Auf der Website socialbakers.com wird die Zahl der monatlich aktiven Nutzer veröffentlicht, die dafür notwendigen Daten bekommt das Unternehmen nach eigenen Angaben von Facebook selbst übermittelt – doch führt die Interpretation der Daten immer wieder zu Falschmeldungen.

Wie Facebook in Deutschland immer größer wird

Faszination Facebook. Ein Suchtproblem?
Faszination Facebook. Ein Suchtproblem?

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Erst vergangene Woche berichtete die britische Tageszeitung „Guardian“, dass Facebook im Dezember in Großbritannien 600 000 Mitglieder verloren habe. Doch sowohl Socialbakers als auch Facebook relativierten den Bericht schnell: Sie verwiesen darauf, dass es sich eben nicht um die tatsächliche Zahl der angemeldeten, sondern der aktiven Nutzer handele. Und diese Zahl könne saisonbedingt schwanken, gerade in den Ferien oder an Feiertagen.

Wie stark, zeigt auch die Statistik für Deutschland. Die mehr als 25 Millionen Mitglieder hierzulande waren offenbar rund um den 24. Dezember deutlich weniger aktiv, wahrscheinlich, weil viele dann mit Familie und Freunden beschäftigt sind. Rund um Silvester und den ersten Januar nimmt die Aktivität dann überdurchschnittlich zu, wahrscheinlich, weil Neujahrswünsche und Partyfotos geteilt wurden. Dies sei aber nur eine mögliche Interpretation, betont Socialbakers.

Insgesamt wächst die Zahl der aktiven Nutzer hierzulande. In den vergangenen sechs Monaten ist sie um 1,6 Millionen Nutzer gestiegen, ein Plus von 6,4 Prozent. Deutschland ist damit für Facebook der zehntgrößte Markt weltweit , angeführt wird die Statistik von den USA, gefolgt von Brasilien, Indien und Indonesien. Gerade die letzten drei genannten Länder gehören zu den größten Wachstumsmärkten, denn mit ihrer wirtschaftlichen Entwicklung geht ein besserer Zugang zur digitalen Kommunikation einher. So ist die Zahl der monatlich aktiven Nutzer auch in Japan und Vietnam in den vergangenen Monaten um 40 Prozent gewachsen, beim Spitzenreiter USA, also im Heimatland von Facebook, sind es dagegen nur sieben Prozent. Das entspricht zwar einem Plus von zwölf Millionen Nutzern. Allerdings sind hier laut Socialbakers schon 53 Prozent der Bevölkerung bei Facebook aktiv, bedenkt man, dass ein Teil der Amerikaner zu jung ist, um Facebook zu nutzen, ein Teil zu alt, dürfte die Sättigung bald erreicht sein.

Gleiches gilt beispielsweise auch für Großbritannien. „Facebook wird deshalb jetzt in erster Linie nicht mehr darauf fokussieren, die Zahl seiner Nutzer insgesamt zu steigern, sondern die Verweildauer der einzelnen Nutzer auf der Plattform auszubauen und dadurch mehr Gewinn aus jedem einzelnen Mitglied zu ziehen“, sagt Sundararajan von der Stern School of Business. Denn je länger die Nutzer aktiv seien, desto mehr Aufmerksamkeit schenken sie womöglich der auf Facebook platzierten Werbung.

Dazu passt, was Facebook erst am Dienstag verkündete: Die Plattform will eine Suchfunktion integrieren, mit der die Mitglieder innerhalb des Netzwerks nach Begriffen, Themen, Personen suchen können. Für Unternehmen dürfte es dadurch einfacher werden, ihre Werbung zielgerichtet zu platzieren – das mag wiederum die Nutzer nerven. Aber solange sie nur bellen und nicht beißen, stört es Facebook nicht.

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