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Der Fernseh-Sultan erhitzt die Gemüter.

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Türkei: Fernseh-Sultan im Harem bringt Politiker auf die Palme

Eine türkische TV-Serie zieht den Zorn von Regierungspolitikern auf sich. Leichtbekleidete Frauen und gefüllte Weingläser - die Macher der Serie stehen wegen Majestätsbeleidigung am Pranger.

Leicht bekleidete Haremsdamen tummeln sich im Badehaus und tanzen verführerisch vor dem Thron des Sultans. Der streng dreinschauende Herrscher ist sichtlich beeindruckt von der Schönheit einer rothaarigen jungen Frau in seinem Palast. Hin und wieder werden Gläser erhoben, die mit Wein gefüllt zu sein scheinen: Szenen aus der Serie „Das prächige Jahrhundert“, der Antwort des türkischen Fernsehens auf die britische Erfolgsreihe „Die Tudors“, sorgen am Bosporus für Krach. Fast 90 Jahre nach Gründung der Republik stehen die Macher der türkischen Serie wegen Majestätsbeleidigung am Pranger.

Schon vor Ausstrahlung der ersten Folge der TV-Serie über den osmanischen Sultan Süleyman den Prächtigen hagelte es Kritik von Behörden und Regierung. Die Reihe des Privatsenders Show TV entehre einen der größten osmanischen Herrscher, indem sie das Intimleben im Harem des Sultans beleuchte und sogar Alkoholkonsum zeige, klagen Kritiker, darunter hochrangige Mitglieder der Regierung.

Werbeclips für die Serie bei Show TV und im Internet hatten schon vor dem Sendestart der Serie in dieser Woche viele Proteste bei der Aufsichtsbehörde RTÜK in Ankara ausgelöst, und auch der für die Medien zuständige Vize-Premier Bülent Arinc gab zu Protokoll, er sei „besorgt und betrübt“. Süleyman, der im 16. Jahrhundert mehr als 40 Jahre lang regierte, gilt in der Türkei bis heute als weiser und gerechter Saubermann, was selbst die patriotischsten Türken nicht von allen Sultanen behauptet können. Dass ausgerechnet Süleyman nun von seiner menschlichen Seite gezeigt wird, geht Kritikern wie Arinc gegen den Strich.

Drehbuchautorin Meral Okay kann die ganze Aufregung nicht so recht verstehen. Natürlich habe sie mit Historikern zusammengearbeitet, sagte sie dem Nachrichtensender NTV. Aber schließlich gehe es hier um eine Fernsehserie, und nicht um Geschichtsunterricht. „Wo das Privatleben des Sultans anfängt, beginnt auch meine Phantasie.“

Ein wichtiges Thema der Serie hat Okay allerdings der Historie abgeschaut: die große und lebenslange Liebe des Sultans zu Roxelane, jener rothaarigen Schönheit, die aus der heutigen Ukraine als Sklavin in den Harem am Bosporus kam und später Ehefrau des Herrschers wurde. Ansonsten ist „Das prächtige Jahrhundert“ ein Historiendrama mit vielen prunkvollen Gewändern und nachgebauten Palasträumen, mit Intrigen, Helden und Bösewichtern. Zweieinhalb Jahre lang studierte das Team von Drehbuchautorin Okay historische Quellen, erst dann wurde geschrieben und gedreht. Alle Beteiligten, und auch die Schauspieler, hätten in dieser Zeit sehr viel über die Geschichte gelernt, sagte sie.

Doch die Kritiker fallen über den Fernseh-Süleyman her. Der Tanz der Haremsdamen gleiche einem amerikanischen Striptease, ätzte ein Zeitungskommentator. Der Historiker und Süleyman-Experte Adnan Baki beklagte, „Fantasie und Einschaltquoten“ hätten über türkische „Werte“ triumphiert. Frauenministerin Selma Kavaf kritisierte, die Serie konzentriere sich viel zu sehr auf den Harem, was der historischen Größe des Osmanischen Reiches nicht gerecht werde.

Und der Alkohol? Das ist ein besonders heikles Thema, weil sich die osmanischen Sultane auch als Kalifen und damit als religiöse Oberhäupter der Muslime betrachteten. Viele Historiker nehmen aber an, dass sich der große Süleyman trotzdem hin und wieder einen hinter die hoheitliche Binde kippte. Experten wie der Historiker Ilber Ortayli, der als Direktor des Topkapi-Palastmuseums in Istanbul mehr über das Privatleben der Sultane weiß als andere, wies vor zwei Jahren darauf hin, dass sogar der als besonders strenger Muslim und Alkoholgegner bekannte Herrscher Murat IV heimlich im Palast Hochprozentiges zu sich genommen habe.

Kritiker des TV-Süleyman regten sich dennoch über die in der ersten Folge zu sehenden angeblichen Weingläser auf. Nicht Alkohol, sondern Sorbet habe Süleyman da getrunken, erwiderte Drehbuchautorin Okay. „Noch trinkt Süleyman keinen Alkohol, er regiert in der ersten Folge ja gerade einmal drei Monate“, setzte sie maliziös lächelnd hinzu. „Vielleicht trinkt er irgendwann einmal. Insgesamt war er ja 46 Jahre auf dem Thron.“

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