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Es droht Gefahr. Kommissar Lysewski (Misel Maticevic) hört ungewöhnliche Geräusche, als er Nina Hausen (Ulrike C. Tscharre), die verfolgt wird, nach Hause bringt. Foto: WDR

© WDR/Oliver Feist

TV-Krimi: Das Mädchen und der Kommissar

Misel Maticevic und Ulrike C. Tscharre in dem erstaunlichen deutschen Noir-Thriller "Lösegeld".

Drastik – das ist ein Stilmoment, von dem sich die meisten deutschen Primetime-Krimis verabschiedet haben. Allzu oft nervt da dieser allzu weichgespülte „Tatort“-Touch. Intensität, Schärfe, Dringlichkeit, diese Elemente finden sich meist nur noch in den unkonventionellen Fernsehkrimis von Dominik Graf. Es ist wohl kein Zufall, dass mit Misel Maticevic und Ulrike C. Tscharre in „Lösegeld“ zwei Protagonisten aus Grafs jüngstem preisgekrönten Mehrteiler „Im Angesicht des Verbrechens“ mitwirken. Eine passende Referenz, eine Verheißung, die in Stephan Wagners Psychothriller weitestgehend eingelöst wird.

Psychothriller? Das mit dem Genre ist hier so eine Sache. „Lösegeld“, die Geschichte eines fast schon gelösten Entführungsfalles und einer unmöglichen Liebe, überschreitet in mehrfacher Hinsicht Grenzen. Es ist sicher nicht die schlechteste Assoziation, wenn man bei einem deutschen Fernsehfilm gleich an französische Vorbilder denkt, wie zum Beispiel an Claude Sautets „Mädchen und der Kommissar“ mit Romy Schneider und Michel Piccoli.

Von Paris also nach Düsseldorf. Ein Junge wird entführt. Sein Vater zahlt das Lösegeld: zwei Millionen Euro in Brillanten. Der Junge wird gerettet, der Entführer entkommt allerdings. Bei der Flucht trifft er auf Nina Hausen (Ulrike C. Tscharre), Chefin einer Eskortagentur und früher Prostituierte, mit deren Auto er abhauen will. Sie kann dem Kidnapper entkommen und fährt ihn über den Haufen. Dann findet sie die wertvollen Steine in ihrem Wagen. Eine große Versuchung. In packenden Bildern und mit schnellen Schnitten wird der Zuschauer reingezogen in den Fall. Es entspinnt sich eine rasante Hetzjagd. Mit äußerster Brutalität will der Entführer an die Steine kommen, Ninas Leben ist in Gefahr. Die Polizei um die beiden Kommissare Lysewski (Misel Maticevic) und Weber (Simon Licht) kann den Entführer stoppen.

Damit nimmt der Krimi eine leichte Wendung, wird fast ein anderer Film. Vielleicht hat Wagner („In Sachen Kaminski“) an dieser Stelle ein wenig der Mut verlassen, Mut zur Entschiedenheit. Ein „Psychothriller-Krimimelodram“ nennt der Regisseur und Autor seinen 90-Minüter. „Ich wollte den Zuschauer mit einer Krimigeschichte abholen und mit ihm die Liebesgeschichte entdecken.“

Eine interessante Idee. Etwas weniger cooles Saxofon im Hintergrund hätte es aber auch getan. Was dann vor allem bleibt, ist das treffende Zusammenspiel von Tscharre und Maticevic als Liebespaar im Krimi. Die Verdächtige und der Kommissar. Die von der Pleite bedrohte, attraktive Chefin, die mit dem Juwelenfund ihren langgehegten Auswanderertraum verwirklichen will, und der einsame Wolf, der brüchige, desillusionierte, fast schmerzhaft in die falsche Frau verliebte Bulle, dem Misel Maticevic – wie schon den Genrehelden in Thomas Arslans „Im Schatten“ oder Grafs „Angesicht des Verbrechens“ – diese unnachahmliche Mischung aus Resignation, Melancholie, Glaubwürdigkeit und lässige Grimmigkeit verleiht, dort eben nur auf der anderen Seite des Gesetzes. Aber was heißt das schon im guten Krimi/Thriller: andere Seite?

Zu allem noch Lysewskis schwierige Beziehung zum Kollegen Weber, ein auf den ersten Blick eher unsympathischer, aber im Grunde aufrechter Kerl, der sich am Ende der heiklen Ermittlungen zwischen dienstlicher Disziplin und Männerfreundschaft entscheiden muss. Schön, wenn das der Anfang einer drastischen Krimireihe wäre.

„Lösegeld“, ARD, 20 Uhr 15

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