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Weißkittel-TV: Erst geht der Landarzt, dann die Landärztin

Es gibt schlimmere Nachrichten: Christine Neubauer hört als "Landärztin" auf. Das ZDF hatte bereits die "Landarzt"-Praxis geschlossen. Das Heiler-TV aber hört nimmermehr auf.

Die letzte Episode heißt „Vergissmeinnicht“. Ehrlich, das wird ganz, ganz schwer, denn das ist der Titel des zehnten und letzten Films aus der ARD-Reihe „Die Landärztin“. Heißt: Neun Mal haben unschuldige Fernsehzuschauer über acht lange Jahre miterleben müssen, dass Dr. Johanna Lohmann ihnen und den Patienten einflößte: „Vertrau mir, ich bin Ärztin.“ Nichts und niemand war vor dieser Heilerin sicher. Ohne jeden Zweifel stimmt die Beobachtung, dass Christine Neubauer die „Landärztin“ noch eindringlicher (und aufdringlicher) als Wayne Carpendale den „Landarzt“ im Zweiten verkörpert hat. Die Serie im ZDF endete im Mai, jetzt folgt das Aus für die „Landärztin“ im Ersten. Zwei gute Nachrichten, denn damit sinkt der Schmalzpegel im öffentlich-rechtlichen Fernsehen erheblich.

Aber längst nicht auf null. Ärzte bleiben der gefragteste Berufsstand, wenn es um positive Geschichten im fiktionalen Fernsehen geht. „In aller Freundschaft“, „Tierärztin Dr. Mertens“, weder der Bestand noch der Nachschub an Weißkitteln ist gefährdet. Was eben dominiert und damit irritiert, das ist der Zugang, die Darstellung, die Behandlung.

Arztserien und Arztfilme sind Schmonzetten, mal Heimat-, mal Land-, mal Klinik- getunt. In der überwältigenden Mehrheit laufen Bestmenschen durch die Bilder, uneigennützig, empathisch, opferbereit. Die Diagnosen ähneln dem Wetterbericht, die Therapien dem Handauflegen (Blitzheilung niemals ausgeschlossen!), das Publikum wird von Plattitüden eingelullt, vom Ratschlag zur ganzheitlichen Binse ist es nur ein Krankenbett weiter.

Das öffentlich-rechtliche Seniorenpublikum reagiert mehrheitlich nicht mit Abscheu und Empörung, diese Fiktion ist für viele Mitglieder der Generation Kukident eine Film gewordene „Apotheken Umschau“. „Der Landarzt“ hat die Praxis geschlossen, „Die Landärztin“ wird folgen. Das Phänomen wird bleiben. Und Christine Neubauer auch. Joachim Huber

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