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© Steinert

FAB: Weitermachen. Jetzt erst recht!

Mit Kritik an seiner Person hat er keine Probleme und seine schrullige Art hat ihm Kultstatus beschert: Manuel Werner ist mit "Ars Vivendi“ eines der Aushängeschilder von FAB. Daran soll auch die Insolvenz des Senders nichts ändern.

Manuel Werner ist ein Mann der gehobenen deutschen Sprache, der manchmal so spricht, wie andere Menschen nicht mal schreiben. Trotzdem greift er in dieser Situation, der Insolvenz des Berliner Lokalsenders FAB, auf eine englische Redewendung zurück, weil sie nun mal gerade am besten passt: „The show must go on“. Als der FAB-Mitbegründer am Donnerstag in den Sender kam, hatten alle 29 fest angestellten Mitarbeiter den ersten Schock bereits verdaut. Der Lokalsender hat Insolvenz angemeldet. Der Sendebetrieb soll aber weitergeführt werden. „Jetzt erst recht!“, sagt die Belegschaft. „Business as usual“, sagt Werner. Er ist es gewohnt, weiterzumachen. Er macht es schließlich schon so lang.

Wem der Name Manuel Werner nichts sagt, muss sich nicht wundern. Bei deutschen TV-Moderatoren gibt es eine Regel: Meistens kennt man ihre Namen, sie sehen aber dafür fast alle gleich aus. Wenn man nicht richtig hinguckt, hat man schon wieder Markus Lanz mit Kai Pflaume verwechselt. Manuel Werner ist die Umkehrung dieser Regel. Ein Mann, dessen Namen nicht so viele kennen, den aber jeder sofort wiedererkennt, der schon mal beim Zappen bei FAB hängen geblieben ist. Manuel Werner ist der Mann mit dem Schnauz, den silbernen Haaren und dem Gesicht in permanenter Kaubewegung. „Ars Vivendi“ ist die vermutlich älteste Gastroshow im deutschen Fernsehen. Das Konzept: Werner stellt Einrichtungen der „gehobenen Ess-, Trink- und Hotelkultur“ vor und lässt sie in gutem Licht dastehen. Die Restaurants heißen „Brasil Brasileiro“ oder „Marzahner Krug“ und befinden sich meist abseits der einschlägigen Bezirke. Werner lässt sich von einer Kamera begleiten und erzählt in atmosphärisch-getragenem Voiceover, was er erlebt, gesehen, gegessen hat. Dabei sieht man ihn andächtig kauen, den Kopf schieflegen, anerkennend nicken und einer Tischdame zuprosten. Und dies bereits in mehr als 800 Etablissements, seit 1997.

Von Manuel Werners Konsequenz kann man sich in diesen Tagen überzeugen, wo er felsenfest an die Zukunft seines Senders glaubt und sagt: „FAB läuft weiter!“ Dass er ein Mann ist, der Dinge durchzieht, wissen seine Zuschauer seit langem. Spätestens seit zweieinhalb Jahren. Auf der Glienicker Brücke war Werner mit seinem Motorrad gestürzt, sein rechter Fuß war zertrümmert. Als er im Krankenhaus aus der Narkose erwachte, ließ er sich seinen Laptop bringen und textete einen Fernsehbeitrag. In sechs Tagen war Sendung. Dann bestellte er Kamera- und Tonmann, und bei „Ars Vivendi“ schließlich sah man als Begrüßungsbild einen eingegipsten Männerfuß in Nahaufnahme über einem Krankenhausbett baumeln, von dem aus Werner die Sendung moderierte.

Nicht nur diese Geschichte hat Werner böser Kritik ausgesetzt. Sein Moderationsstil hat es. Er sagt Dinge wie: „ein Lammrücken ganz nach dem Geschmack eines internatsgeschädigten Vielessers“ und verwendet Adjektive wie „lukullisch“ und „önologisch“. Hat Werner in einem Moment noch etwas hochgestochen „molto grazie“ gerufen und das Bild der „italienischen Geschmacksoper“ bemüht, kann es im nächsten Moment passieren, dass er innehält, sekundenlang gequält in die Kamera guckt, sich den Bauch hält, um dann „Entschuldigung, mein Magen“ zu sagen und danach einfach weiterzusprechen, als wäre nichts gewesen. Dieser Wechsel ist komisch. Ob freiwillig oder unfreiwillig, ist egal. Von Schülerfernsehen und Dilettantismus sprechen seine Kritiker. Dies ist auf Werners Homepage nachzulesen. Solche Kritik stellt der Öffentlichkeit nur derjenige zur freien Verfügung, der sich keine Sorgen um seine Beliebtheit machen muss. Denn die Kritik hat ihm vor allem Aufmerksamkeit und Kultstatus gebracht – Dinge, die Moderatoren von Regionalsendern in der Regel verwehrt bleiben. Bis zu 400 000 Zuschauer, so Werner, hat „Ars Vivendi“ pro Folge, die über einen Zeitraum von vier Wochen 32-mal ausgestrahlt wird.

In der Berliner Restaurantszene ist Werner ein Star. Auf seiner Homepage bedanken sich Gastronomen: Seitdem er bei ihnen war, sei alles anders. Und die Zuschauer? Sie können sich bei „Ars Vivendi“ einen der letzten deutschen Fernseh-Anarchos angucken. Manuel Werner trinkt Schnäpse vor der Kamera, läuft rot an, wenn das Essen zu scharf war, darf Füße in die Kamera halten und nach dem Tequila so tun, als müsste er aus dem Restaurant torkeln. Früher, sagt Werner, hatte er Angebote großer Sender. Weil er ein Macher war, weil er ab 1985 die Sendungen „Nachtschau“ und „Rockschock“ auf dem Mischkanal produzierte, dann Gesellschafter von FAB wurde, weil er ungewöhnliche Magazinsendungen machte, Mischungen aus Partnerwahl, Horoskop und Rockband-Porträts. Werner hatte stets abgelehnt, weil er keine Lust hatte, „mir von durchgeknallten Redakteuren mit Profilneurose sagen zu lassen, was ich zu tun habe“. Vielleicht hätte er woanders große Karriere gemacht. „Ars Vivendi“ wäre schon lange abgesetzt. Vielleicht hätte irgendwann jemand gesagt, der Schnauz müsse weg, und im Krankheitsfall hätte es eine Vertretung gegeben, und die Szene im Krankenhausbett wäre nie ausgestrahlt worden. Die große Karriere ist Auslegungssache. Manuel Werner hat die größtmögliche Karriere bei einem Sender wie FAB gemacht. „Tschüss, ihr Lieben“, sagt Manuel Werner nach jeder Sendung. Wer sich angesprochen fühlt, weiß warum.

„Ars Vivendi“, FAB, 13 Uhr (Wdh.); danach: Donnerstag, 20 Uhr 15

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