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ZDF: Gottschalk geht, Gottschalk bleibt

Thomas Gottschalk gibt die Moderation von "Wetten, dass..?" im Sommer ab. Nach dem Unfall des Wettkandidaten Samuel Koch liege für ihn ein "Schatten" auf der Sendung, erklärt er. Das ZDF hält an Show und Showmaster fest.

Thomas Gottschalk hat sich entschieden. Er wird die Moderation seiner Paradeshow „Wetten, dass..?“ mit Ende der laufenden Staffel aufgeben. Das sagte er zu Beginn der 193. Ausgabe der ZDF-Show in Halle an der Saale. Die Sendung am 18. Juni auf Mallorca wird sein Finale – nach 24 Jahren an der Spitze von Europas erfolgreichster Fernsehshow.

Dass der Entertainer seinen Rücktritt ankündigte und doch erst in vier Monaten vollziehen wird – „Mubarak hat mich knapp geschlagen“ –, hat er nicht näher begründet. „Irgendwann wäre es sowieso passiert“, sagte der 60-jährige Showmaster, der mit dem ZDF einen Vertrag  bis 2012 hat. Erkennbar wollte der Showmaster, der vom Saalpublikum mit frenetischem Applaus begrüßt worden war, die Enttäuschung nach der Bekanntgabe seines Abgangs dämpfen, wenn nicht aus der Welt schaffen. Es war ihm daran gelegen, nicht nach Mitleid für seinen Schritt zu heischen. Am Mittwoch hatte er den möglicherweise für immer vom Hals abwärts gelähmten Samuel Koch in einer Schweizer Reha-Spezialklinik besucht. Unter großem Beifall schickte Gottschalk Genesungswünsche an Koch.

Der 23-Jährige hatte sich in der Sendung am 4. Dezember 2010 zwei Halswirbel gebrochen, als er beim Sprung über heranfahrende Autos stürzte. „Er hat auf ein Leben als Athlet und Schauspieler gehofft, dies wird nun anders werden“, sagte Gottschalk. Die Hoffnung, dass der Unfallschock nur kurz währt, habe sich nicht erfüllt.    „Er hat mir noch einmal gesagt, dass er kein adrenalinsüchtiger Junkie ist. Er hatte mehr als 500 Probesprünge absolviert“, berichtete Gottschalk und ergänzte: „Samuel weiß, dass er sich nur langsam erholen wird.“

Ein "Schatten" auf der Sendung

In seinem kurzen, unprätentiösen Statement hatte Thomas Gottschalk erklärt, für ihn liege ein „Schatten“ auf der Sendung, „der es mir schwer machen würde, jemals wieder zu der guten Laune zurückzufinden, die Sie zu Recht von mir erwarten“. Er könne „in dieser Show nicht weitermachen, als wäre nichts passiert“. Im Sommer wolle er sich auf Mallorca deshalb „schweren Herzens von ,Wetten, dass..?’ verabschieden“. Im Herbst soll es noch drei Spezialausgaben der Show mit Highlights aus drei Jahrzehnten geben.

ZDF-Intendant Markus Schächter dankte Gottschalk in einer Sendermitteilung vom Samstagabend für seine „großartigen Leistungen“: „Ich bedauere die Entscheidung von Thomas Gottschalk sehr. Zugleich respektiere ich sie, ihre Begründung und auch den Zeitpunkt.“ Der Sender habe Thomas Gottschalk sehr viel zu verdanken. In seiner unverwechselbaren Mischung aus fröhlicher Neugier, Schlagfertigkeit, intelligentem Wortwitz und Professionalität sei er seit einem Vierteljahrhundert der perfekte Gastgeber für Europas größte und erfolgreichste Unterhaltungssendung. „Da ist etwas gewachsen in den vielen Jahren zwischen einem Moderator, der sein Publikum liebt, und den Zuschauern, die das immer gespürt haben.“ Der ZDF- Chef betonte, dass er mit Gottschalk schon seit einiger Zeit im Gespräch gewesen sei. Er könne seine Entscheidung sehr gut nachvollziehen: „Es ist immer irgendwann einmal der Zeitpunkt gekommen, einen Schlussstrich zu ziehen. Ihn zu finden, ist eine sehr persönliche Angelegenheit.“ Schächter selbst hatte im Januar überraschend bekanntgegeben, dass er nach dem Ende seiner zweiten Amtszeit im März 2012 als ZDF-Intendant aufhören werde. Für Thomas Gottschalk und „Wetten, dass..?“ gilt nach Schächters Worten: „Beide bleiben dem ZDF-Publikum auf jeden Fall erhalten. Wir planen mit ihm neue Formate für das kommende Jahr und werden jetzt in Ruhe über die Nachfolge in der Präsentation von ,Wetten, dass..?’ ab 2012 beraten und entscheiden.“ Schon wird über ZDF-Neuzugang Jörg Pilawa als Nachfolger spekuliert.

Nachdem die gewohnt verkrampft agierende Co-Moderatorin Michelle Hunziker noch überbetont hatte, wie sehr auch sie vom Unfall geschockt, wie traurig sie war, dass sie aber weiter machen wolle und zugleich hoffe, dass Thomas Gottschalk seinen Rücktritt vom Rücktritt erklären werde, nahm der das Heft in die Hand: „Lass uns anfangen“, sagte er – wie gewohnt als Zirkusdirektor gekleidet: Frack im Schottenkaro, Hose in Lackleder. Ob er um den Hals einen Glücksbringer oder ein Mikrofon trug, ließ sich nicht zweifelsfrei ausmachen. Sein Ton war erst gedämpft, wurde zunehmend frecher.

Bildungsmomente statt sportivem Risiko

Was dann kam, war eine der ruhigsten, familienorientiertesten Ausgaben von „Wetten, dass..?“. Frisbee-Werfen, zwei Geschwister errieten, aus welcher Buchseite Gottschalk zitierte – Bildungsmomente statt sportivem Risiko. Die Gäste auf dem Sofa – deutsche Fernsehprominenz wie Maria Furtwängler und das ewige Topmodel Naomi Campbell – beteiligten sich an der guten Stimmung. Auch Campbell wollte Gottschalk noch zum Rücktritt vom Rücktritt überreden. Die Acts von Udo Lindenberg, Roxette, und Robbie Williams mit „Take That“ gaben der 193. Ausgabe der Sendung einen unübersehbaren Retro-Look.

Gottschalks Schritt kommt überraschend, er hatte nach dem Unfall zunächst vom Weitermachen gesprochen. Nun hat er das Modell gewählt, das auch der ägyptische Präsident Hosni Mubarak für sich in Anspruch nahm: Zurücktreten und doch im Amt bleiben. Das hat das ägyptische Volk verhindert, das deutsche Fernsehvolk wird damit leben können.

Aus dem ZDF war am Samstag zu hören, dass Gottschalk gleich nach der Sendung in Halle aufhören wollte, doch mit Rücksicht auf die dann sofort virulente Nachfolgerfrage „sein“ ZDF nicht im Stich lassen wollte. Was jetzt kommt, ist ein Rücktritt auf Raten.

Aber der Unfall bleibt, der gelähmte Samuel Koch bleibt. Ein tiefer Schatten über einer sonnigen Show mit einem noch sonnigeren Showmaster. Gottschalk, ein sensibler, manche sagen religiös gebundener Mitmensch, sah seine Verantwortung. Er hat sie wahrgenommen, angenommen, und er will mit seinem selbstbestimmten Abgang „Wetten, dass..?“ eine Zukunft eröffnen. Denn es wird, das zeigten die fast drei Stunden nach seiner Erklärung, eine andere Show werden, werden müssen. „Wetten, dass..?“ ist im toten Winkel. Das ZDF muss jetzt beweisen: Der König ist tot, es lebe die Show.

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