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"Die Lehre bleibt Hoffnungslos unterfinanziert" Tilmann Warnecke

© dpa

Die Einführung des "Lehrknechts": Ein Kulturbruch an den Berliner Universitäten

Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres hat umstrittene Personal-Pläne für die Berliner Universitäten. Wissenschaftliche Mitarbeiter sollen 18 Stunden pro Woche unterrichten, Forschung und Lehre werden so zunehmend getrennt. Ein Nachteil für alle.

An den Berliner Universitäten soll der „Lehrknecht“ eingeführt werden. So nennt der Unijargon wissenschaftliche Mitarbeiter, die sich fast nur der Lehre widmen. Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres lockt die Unis jetzt mit Geld, damit sie die ungeliebte Personalkategorie endlich einführen. Für die Hochschulen ist das ein Kulturbruch, denn damit rückt das Forschen in der Profession des Wissenschaftlers in den Hintergrund.

Selbst wenn die Universitäten jetzt nicht die ungeliebten „Lehrknechte“ einstellen müssen, sondern wahlweise auch Tutoren von dem Geld bezahlen dürfen: Spätestens mit den Verhandlungen zu den ab 2014 geltenden Hochschulverträgen wird die Idee wieder auf den Tisch kommen. Das Problem ist ein grundsätzliches. Immer mehr Abiturienten kommen an die Unis, der Ansturm wird über Jahre anhalten. Doch die Lehre bleibt hoffnungslos unterfinanziert.

Das gilt besonders für Berlin. Die hiesigen Hochschulen sind beliebt wie eh und je, wie sich an den aktuellen Bewerbungszahlen zeigt. Dass sich der Senat Gedanken macht, wie die Lehre stärker wird und dass er insgesamt 40 Millionen Euro für eine „Qualitätsoffensive“ ausgeben will, ist prinzipiell richtig. Dass er angesichts der Schuldenbremse nach billigen Lösungen wie den „Lehrknechten“ sucht, ist sogar nachvollziehbar.

Bildergalerie: Die Aussicht für Universitäten vor der Wahl

Trotzdem ist der Ansatz falsch. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter sollen für drei Jahre angestellt werden. Sie verstärken so das große Heer der jungen Forscherinnen und Forscher mit Kurzzeitverträgen. 83 Prozent der 150 000 hauptberuflichen „Wimis“ in Deutschland sind schon jetzt befristet beschäftigt. In kaum einem anderen Land sind deren Aufstiegschancen so gering wie hier. Für die „Lehrknechte“ gestaltet sich der Sprung nach oben noch schwieriger. Sich in der Wissenschaft für höhere Aufgaben zu empfehlen, bedeutet, sich als Forscher zu profilieren. Das dürfte bei den vorgesehenen 18 Stunden Lehre pro Woche schwerfallen. Der Senat führt so Nachwuchskräfte in die Karrieresackgasse.

Auch sollten Studierende ein Recht auf Lehrkräfte haben, die sie mit wissenschaftlichem Anspruch unterrichten. Nun aber werden ganz im Gegenteil Forschung und Lehre auseinanderdividiert. Gefragt sind daher Ideen, die beides zusammenführen. Warum nicht den Vorschlag des Wissenschaftsrats umsetzen, einen Teil der frei werdenden Professuren zu „Lehrprofessuren“ umzuwidmen? Diese würden moderat mehr lehren und dennoch forschen. Ein Professor hätte gleich eine ganz andere Qualität als ein „Lehrknecht“.

Zumindest sollte überlegt werden, verstärkt Wissenschaftler dauerhaft einzustellen, die sich mehr um die Studierenden kümmern, ohne die Forschung aus dem Blick zu verlieren. Wenn man Professoren zutraut, auf einer Dauerstelle, also ohne Druck, noch Leistung zu bringen, sollte man das auch bei Wissenschaftlern in den unteren Hierarchiestufen für möglich halten. Das wäre doch ein Zeichen für die gesamte Gesellschaft: weg von der Unsicherheit in Berufskarrieren, hin zu mehr Verbindlichkeit.

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