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„Gute Arbeit, gutes Leben“ – dieser Slogan der Gewerkschaften zielt auch auf ein glückliches Miteinander von Job und Familie. Foto: dpa

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Familienpolitik: Kinder müssen auch gewollt sein

Die Debatte um eine familiengerechte Arbeitszeit ist richtig. Eine staatlich verordnete Arbeitszeitverkürzung oder die Finanzierung aus der Steuerkasse lassen aber eine fatale Steuerungsmentalität befürchten. Notwendig ist auch eine gesellschaftliche Stimmung, in der die individuelle Selbstverwirklichung nicht als zentraler Wert gilt.

So viel Familie war nie. Zumindest nicht in der Bundesregierung. Darüber, wer von den jungen Eltern im Kabinett wann sein Kind aus der Kita abholt, und wie das mit der Arbeitszeit vereinbar ist, haben wir mehr erfahren, als man wissen möchte. Das Sein, so wusste Karl Marx, bestimmt eben das Bewusstsein. Dazu passt die Idee von Familienministerin Manuela Schwesig, junge Eltern sollten nur 32 Stunden arbeiten – mit steuerfinanziertem Gehaltsausgleich.

Man müsste an ihrer Amtseignung zweifeln, sollte Schwesig von der prompten Ablehnung durch die Kanzlerin und die Proteste der Wirtschaft überrascht worden sein. Denn vom Koalitionsvertrag gedeckt ist der Plan nicht; weswegen Schwesig nun bloß von einer Vision gesprochen haben will. Richtig aber ist die Debatte um eine familiengerechtere Arbeitswelt allemal. Denn mehr Kitas allein reichen nicht, um Familie und Beruf zu vereinbaren. Flexible Arbeitszeitmodelle sind unverzichtbar, damit sich Frauen und Männer häufiger für Kinder entscheiden. Zweimal Vollzeit arbeiten – in jungen Familien geht diese Rechnung nicht auf; die verbreitete Anwesenheitskultur mit Sitzungen um 17 Uhr kickt jede junge Mutter aus der Karriereflugbahn, weil es unvereinbar ist mit der Kita-Schließzeit.

Viele Firmen haben das erkannt; vor allem große Konzerne auch reagiert. Sie wissen, dass es für sie in der alternden Gesellschaft wichtig ist, jungen Frauen die berufliche Teilhabe zu erleichtern. Was der beste Weg dorthin ist, allein darum muss es gehen. Nun kann man fragen, ob jede dreifache Mutter auch noch erfolgreiche Managerin sein muss. Auch die siebenfache Mutter Ursula von der Leyen eignet sich nicht unbedingt als Rollenmodell. Dabei liegen CDU und SPD gar nicht so weit auseinander, um diese Vereinbarkeit voranzubringen. Das vereinbarte Elterngeld Plus, das bis zu 28 Monate gezahlt werden soll, ist ein weiterer Schritt, um ein Berufsleben mit Kindern zu erleichtern.

Die aktuelle Kontroverse aber lässt nicht nur aufscheinen, welch weiten Weg die bundesdeutsche Gesellschaft in den vergangenen Jahren zurückgelegt hat, sondern lässt auch die politischen Klippen erkennen. Betreuungsplätze für Einjährige galten vor 20 Jahren als übelster Sozialismus, und selbst Ganztagsschulen waren unlängst noch umstritten. Eine staatlich verordnete Arbeitszeitverkürzung, die Betriebe wirtschaftlich gefährdet, oder die Finanzierung aus der Steuerkasse lassen aber eine fatale Steuerungsmentalität der Sozialdemokraten und einen Hang zu finanzieller Unseriosität befürchten. Da sieht die Wirtschaft zu Recht ihre Wettbewerbsfähigkeit gefährdet.

Kitaplätze allein machen nicht glücklich

Es muss sich auch noch zeigen, ob es der neuen Familienministerin gelingt, gesellschaftliche Bündnisse zu schmieden. Denn große Firmen haben es jetzt schon leichter, attraktive Modelle anzubieten; bei kleinen Unternehmen dagegen wird es nicht ohne Hilfen gehen. Und dennoch bleibt offen, ob Kita-Vollversorgung und familienfreundliche Arbeitszeitregelungen allein reichen, damit wieder mehr Kinder geboren werden. Egal, ob man für die berufstätige Mutter als Rollenideal oder für eine frühkindliche Erziehung zu Haus streitet – ohne den Mut der Frauen (und der Männer), sich auf das Abenteuer Kind einzulassen, geht es nicht.

Kitaplätze allein machen nicht glücklich. Notwendig ist dazu auch eine gesellschaftliche Stimmung, in der die individuelle Selbstverwirklichung nicht als zentraler Wert gilt. Kitaplätze und Arbeitszeitmodelle sind nur – notwendiges – Beiwerk für eine familienfreundliche Republik. Wer nicht die Köpfe der Jungen erreicht, ihre Unsicherheitsgefühle über den eigenen Lebensentwurf, ihre Ängste vor ungesicherter Existenz und befristeten Verträgen versteht, wer nicht über überfordernde Frauenbilder und falsche Männlichkeitsideale und den gesellschaftlichen Druck zur Selbstoptimierung spricht, der kann sich noch so viele flankierende Maßnahmen ausdenken, ohne dass dadurch die Geburtenrate steigt. Dort liegt die wirkliche Herausforderung für Manuela Schwesig und die Mütter und Väter aus dem Kabinett.

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