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Die Kampagne "Kampf den Kampfradlern" in Prenzlauer Berg und Mitte. Ein Screenshot aus dem Blog www.rad-spannerei.de

© von rad-spannerei.de

"Kampf den Kampfradlern": Schluss mit den Kleinkriegen!

Unbekannte fahren bei einer Anti-Fahrradfahrer-Kampagne in Prenzlauer Berg harte Geschütze auf. Von Kampfradlern ist die Rede. Einer von 3,5 Millionen Kleinkriegen in Berlin. Ein Kommentar.

Seit Montag hängen in Prenzlauer Berg und Mitte Plakate, die einen stilisierten Fahrradfahrer zeigen. An Stelle des Kopfes prangt eine Handgranate. Die Botschaft: „Kampf den Kampfradlern! Rücksicht statt Vorfahrt auf all unseren Wegen.“
Mit welchen Waffen dieser Kampf geführt werden soll, lassen die Rad-Gegner offen. Eindeutig geht diese Kampfansage gegen eine von Berlins meistgehassten Bevölkerungsgruppen aber noch einen Schritt weiter als die Anti-Tourismus-Aufkleber-Aktion in Kreuzberg.

In Berlin führt jeder seinen persönlichen Kleinkrieg. Fahrradfahrer sind nicht die einzigen, die regelmäßig zur Zielscheibe solcher Ressentiments werden. Hundehalter, Zugereiste, Touristen, Migranten, Familien oder auch Kinderlose – sie alle dürften mit dem Gefühl, grundlos angefeindet und unter Generalverdacht gestellt zu werden, vertraut sein. Zum Berliner Dasein gehört dazu, (mindestens) einen „Lieblingsfeind“ zu haben. „Mikrochauvinismus“ hat Roger Boyes dieses Phänomen kürzlich in seinem Essay im Tagesspiegel genannt.

Nachbarschaftskriege werden in Berlin auf Hauptstadtniveau ausgetragen. Das sieht dann wie in dem Fall der Anti-Radler-Kampagne so aus: Einzelpersonen machen ihren persönlichen Frust zur Staatsaffäre. Es geht nicht darum, was die Mehrheit denkt, sondern wer am lautesten schreit oder die wirkungsvollsten Mittel einsetzt. Jede Seite fühlt sich natürlich vollkommen im Recht und im besten Fall unverstanden von den Anderen.

Diese Kämpfe werden immer unfair und mit ungleichen Waffen geführt. Es fängt damit an, dass sich die Kampagnen-Führer hinter der Anonymität verstecken. Schon oft wurde darüber gerätselt, was der Ursprung dieser ständig vorhandenen, mal mehr, mal weniger latenten Aggressivität ist. Berlin ist die Hauptstadt der Passiv-Aggressiven. Unter der Oberfläche brodelt es. Gefühlt gibt es 3,5 Millionen Kleinkriege und Neid könnte der Grund sein. Der pure Verdacht, dass der Andere aus einer spezifischen Situation einen – sei es noch so kleinen – Vorteil zieht, lässt die Menschen ihre gute Erziehung vergessen.

Fahrradfahrer haben in dieser Stadt, die den Verkehrskollaps als Dauerzustand kennt, eindeutig Vorteile. Sie schlängeln sich durch den Verkehr, mogeln sich durch heikle Situationen – und haben meistens keine Konsequenzen zu befürchten. Wut und Frust bei den anderen Verkehrsteilnehmern ist da nachvollziehbar. Richtig. Es gibt Grund an aggressiven Radfahrern zu üben. Aber: Wurde in dieser Stadt nicht jeder schon einmal als (temporärer) Angehöriger einer der oben genannten Gruppen grundlos angefeindet? Deshalb: Schluss mit den Kleinkriegen.

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