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Die Vorsitzende der Front National, Marine Le Pen.

© dpa

Le Pen, Front National und Wilders: Eine generelle EU-Skepsis hilft dem Populismus

Ob Marine Le Pen in Frankreich oder Geert Wilders in den Niederlanden: Eine generell vorhandene EU-Skepsis dient Europas Populisten als Modernisierungsstrategie. Weil die etablierten Kräfte das Feld räumen, stoßen Parteien wie der Front National in die Mitte vor.

Am 24. Februar 2010 ging es im Europäischen Parlament zur Sache. Nigel Farage, der Chef der britischen Anti-EU-Partei Ukip, wandte sich an Herman Van Rompuy, den Präsidenten des Europäischen Rates. „Ist das europäische Demokratie?“, polterte er: „Wer hat Sie gewählt?“ Van Rompuy zupfte nervös an seiner Krawatte, dann schleuderte ihm Farage entgegen: „Wir wollen Sie nicht! Sie haben das Charisma eines feuchten Lappens und die Erscheinung eines niederen Bankangestellten.“

Dass Farages Wortwahl niederträchtig war, steht außer Frage. Bemerkenswert ist allerdings, wer den konsternierten Van Rompuy verteidigte und wie er es tat: Es war Martin Schulz, damals Chef der sozialistischen Fraktion und heute Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten. Er sagte, es wäre wohl besser, Farage würde aus dem Europaparlament ausscheiden, wenn ihm die EU nicht passe.

Farage übt auch auf deutsche Euroskeptiker eine große Faszination aus. Deshalb luden ihn in der vergangenen Woche einige Politiker der „Alternative für Deutschland“ (AfD) nach Köln ein – sehr zum Ärger von AfD-Chef Bernd Lucke. Farages gefeierte Auftritte zeigen, welches populistische Potenzial der Europafrage innewohnt.

Wobei es besser wäre, zwischen der europäischen Einigung als politischer Idee und der konkreten Verfassung der EU zu unterscheiden. Schulz’ Botschaft an Farage war: Entweder Sie akzeptieren diese EU, oder es gibt keine! Aus einer solchen Sichtweise aber erwächst eine Gefahr, die dazu führen könnte, dass sich ein vorhandener Rechtspopulismus in vielen Staaten mit EU-Skepsis erst recht auflädt.

Schon Jörg Haider flankierte seinen Aufstieg mit Kritik an der Brüsseler Bürokratie

Beispiele dafür finden sich in der Vergangenheit. Jörg Haider etwa flankierte den Aufstieg seiner fremdenfeindlichen FPÖ mit Kritik an der Brüsseler Bürokratie nach dem EU-Beitritt Österreichs in den 90er Jahren. Dass die EU nach der Regierungsbeteiligung der FPÖ im Jahr 2000 Sanktionen gegen Österreich verhängte, war zum Nutzen der Partei.

Schließlich gehört es zum Repertoire populistischer Bewegungen, sich in eine Opferposition hineinzumanövrieren. Die Stoßrichtung gegen die Eurokratie ist bereits im Populismus angelegt: Stets geht es darum, das Establishment anzugreifen, Eliten zu kritisieren, nostalgische Gefühle zu wecken. Dass die EU bisher ein Elitenprojekt ist, wird aber auch von ihren glühendsten Verehrern nicht bestritten.

Umgekehrt ist Kritik an der Art des europäischen Einigungsprozesses nicht zwingend populistisch. Hätte ein führender Europapolitiker wie Schulz dies erkannt, dann hätte er Farages Polterei gegen Van Rompuy zwar als diffamierend zurückweisen müssen – er hätte ihm aber nicht die Tür weisen dürfen. Im Gegenteil, er hätte ihn auffordern müssen, im Raum zu bleiben.

Auch die AfD läuft Gefahr, in den Populismus abzugleiten

Weil auch in dem Duell zwischen Schulz und seinem Gegenpart Jean-Claude Juncker Europas Elite zum Scheinkampf gegen sich selbst antritt, wird die EU-Kritik unnötigerweise Populisten wie dem Islamkritiker Geert Wilders in den Niederlanden oder der Nationalistin Marine Le Pen überlassen, deren Front National in Frankreich erfolgreich ist wie nie.

In Deutschland wiederum läuft mit der AfD eine Partei Gefahr, in den Populismus abzugleiten, die ursprünglich als professorales Projekt für eine Dezentralisierung der EU angetreten war. So paradox es klingt: Für Le Pen und Wilders bietet die EU-Skepsis die Chance, aus der Schmuddelecke hinauszukommen und für die Mitte wählbar zu werden. Gut ist das nicht.

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