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Porträt: „Ich werde oft von Alpträumen geweckt“

Jahrelang bemühte sich die Türkei im Verhältnis zu ihren Nachbarn um eine "Null-Problem-Politik". Dann kam Außenminister Ahmed Davutoglu zu dem Schluss: Mit Assad ist nicht zu reden. Und veränderte die Strategie des Landes radikal.

Er kann seit Monaten nicht mehr richtig schlafen. „Ich werde oft von Alpträumen geweckt“, sagte der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu jetzt der Zeitung „Hürriyet“. Schreckensbilder aus dem Nachbarland Syrien rauben dem 53-Jährigen die Nachtruhe. Jeden Tag werde er mit neuen Beweisen für die Brutalität in Syrien konfrontiert. Auch deshalb arbeitet Davutoglu am Sturz von Baschar al Assad. Am Donnerstag begannen in Ankara Gespräche von Türkei und USA über gemeinsame Vorbereitungen auf den Machtwechsel in Syrien. Eine Militärintervention gehört zu den Optionen, die Türken und Amerikaner ins Auge fassen.

Dabei hatte sich der Außenminister über Monate der Aufgabe gewidmet, den langjährigen türkischen Partner Assad zu Reformen zu bewegen. Beim letzten seiner vielen Besuche in Damaskus, im August 2011, kam Davutoglu aber zu dem Schluss, dass Assad außer leeren Versprechungen nichts zu bieten habe. Die Türkei wurde vom Freund Assads zum erbitterten Gegner.

Der ehemalige Politik-Professor Davutoglu wird getrieben von der Überzeugung, dass sein Land in der Region eine Schlüsselposition auszufüllen hat. Als muslimische Demokratie, Nato-Mitglied, EU-Bewerber und stärkste Volkswirtschaft in Nahost beansprucht die Türkei eine Führungsrolle. Dieses Selbstbewusstsein in der Außenpolitik ist relativ neu für die Türkei.

Davutoglus Aktivismus und Konzentration auf den lange vom Osmanischen Reich beherrschten Nahen Osten brachten ihm das Etikett eines „Neo-Osmanen“ ein. Gerne erinnern Kritiker den Minister heute an dessen Ziel einer „Null-Problem-Politik“ mit allen türkischen Nachbarn: Statt null Problemen redet Davutoglu mit den Amerikanern über eine Intervention in Syrien, die Beziehungen zwischen der Türkei und dem Irak sind gespannt, und das Verhältnis zum Iran ist nicht zuletzt wegen gegensätzlicher Interessen in Syrien ebenfalls auf einem Tiefpunkt.

Doch Davutoglu ist sicher, dass er auf der richtigen Seite der Geschichte steht: Im Syrienkonflikt habe Ankara angesichts der harten Haltung in Damaskus nichts anderes tun können, als die Opposition gegen Assad zu unterstützen. Diese Unterstützung könnte nun bald die Form einer Flugverbotszone oder einer militärisch gesicherten Schutzzone für Flüchtlinge und Regimegegner annehmen. Es dürfte noch eine Weile dauern, bis Davutoglu wieder ruhig schlafen kann.

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