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Irans Geistliches Oberhaupt Ajatollah Ali Chamenei.

© AFP

Präsidentenwahl: Dem Iran steht erneut eine Wahl-Farce bevor

Ein Land bunkert sich ein: In drei Wochen wird im Iran gewählt, doch trotz des Arabischen Frühlings sind die Chancen auf einen friedlichen demokratischen Wandel gleich Null.

Das Machtkomplott ist perfekt, die kommende Präsidentenwahl im Iran nur hohles Theater. Gab es beim Urnengang 2009 noch populäre Gegenkandidaten, die erst nach dem Wahltag durch groteske Manipulationen und Massenverhaftungen aus dem Feld geschlagen werden mussten, ist diesmal bereits drei Wochen vor dem Stimmtag alles abgekartet. Die acht aus knapp 700 Bewerbungen herausgefilterten Kandidaten unterscheiden sich nur in wenigen Grautönen von der Weltsicht des klerikalen Establishments um Revolutionsführer Ali Khamenei. Journalisten und Blogger werden demonstrativ verhaftet, das Internet auf Kriechgang zurückgeschaltet. Chefredakteure iranischer Zeitungen bekamen von Offiziellen in Einzelsitzungen Maulkörbe ausgehändigt. Der vermutliche Sieger vor vier Jahren, Mir-Hossein Mussawi, steht wie sein damaliger Mitstreiter Mehdi Karroubi nach wie vor unter striktem Hausarrest. Frei und transparent – so qualifizierte das Regime am Wochenende sein kaltschnäuziges Prozedere. In Wahrheit soll nach Justiz, Revolutionären Garden und Parlament nun die letzte staatliche Machtbastion der Islamischen Republik, das Präsidentenamt, dem klerikal-kompromisslosen Lager von Ali Khamenei einverleibt werden.

Gleichzeitig will der Oberste Revolutionsführer mit der Wahlfarce am 14. Juni endlich die zehrenden Machtkämpfe im Inneren beenden, weil der internationale Druck auf Teheran inzwischen so hoch ist wie seit dem iranisch-irakischen Krieg nicht mehr. Die Sanktionen treffen immer breitere Schichten der Bevölkerung, die Wirtschaft strauchelt, die Arbeitslosigkeit steigt. Und der Kampf an der Seite Baschar al Assads im syrischen Bürgerkrieg könnte für den Iran in einem mörderischen Abnutzungskampf enden, der immer mehr Waffenlieferungen und Militärpersonal erforderlich macht.

Teherans Statthalter Hisbollah hat sich offen zur Kriegspartei erklärt, sunnitische Radikale blasen als Antwort zum Sturm auf die gesamte schiitische Welt. Selbst wenn Assad am Ende mit einer Alawiten- Enklave überlebt, werden ihn russische und iranische Öl-Milliarden auf Jahre am Leben erhalten müssen. Der syrische Diktator würde zu einem kostspieligen Versorgungsfall – und das in Zeiten, wo es dem 80-Millionen-Volk im Iran an allen Ecken und Enden fehlt.

70 Prozent der Iraner sind jünger als 30 Jahre, kennen die Islamische Revolution von 1979 nur aus Erzählungen. Seit dem gewissenlosen Vorgehen des Regimes gegen die Grüne Bewegung sind vor allem die jungen gebildeten Schichten in den Städten traumatisiert, frustriert und apathisch. Die Legitimität der Machthaber ist auf einen Tiefpunkt gesunken. Und trotzdem und trotz des Arabischen Frühlings sind die Chancen auf einen friedlichen demokratischen Wandel praktisch gleich null.

Einzig Tunesien und Ägypten haben in einem Glücksmoment der Geschichte ihre Diktatoren mit friedlichen Mitteln abschütteln können. In Syrien, dem engsten Verbündeten des Iran in der arabischen Welt, ist der friedliche Massenprotest zu einem Blutbad eskaliert. Aufstand gegen die eigenen Tyrannen, lautet seitdem die Botschaft aus Damaskus an Teheran, zerstört nicht nur die eigene Zukunft, sondern auch die Zukunft der eigenen Kinder, am Ende vielleicht die gesamte Nation. Die Iraner wissen, aus Bürgerkrieg und Blutvergießen wird so gut wie nie Freiheit und Demokratie geboren. Und sie wissen seit dem Ende des Schahs vor vier Jahrzehnten, dass dem Umsturz einer Diktatur schnell die nächste folgen kann.

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