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Afrika: Schlimmer wird’s immer

Elfenbeinküste, Kongo, Sudan, Nigeria: In Afrika ist sich jeder selbst am nächsten. Die Selbstbedienungsmentalität der Eliten hat dazu geführt, dass sich immer mehr Staaten in Auflösung befinden.

Kein Jahrzehnt beginnt für Afrika ohne die Prognose, dass es bergauf gehen wird. Zuletzt hat die Unternehmensberatung McKinsey das zweifellos große Potenzial des Kontinents in ihrem „Lions on the move“-Szenario in schillernden Farben gemalt. Doch die Realität sieht anders aus. Der Kontinent ist seit der Unabhängigkeit vor 50 Jahren immer weiter zurückgefallen. Trotz einzelner Fortschritte, wie der erfolgreichen Ausrichtung der Fußball-WM in Südafrika, herrschen noch immer überwiegend extreme Armut, Krankheit und Gewalt.

Die Weigerung des ivorischen Präsidenten Laurent Gbagbo, seine Wahlschlappe im November zu akzeptieren und abzutreten, hat die Elfenbeinküste erneut an den Rand eines Bürgerkriegs gebracht – und belegt, wie labil selbst die früheren Musterländer weiterhin sind.

Dabei ist die Elfenbeinküste nur ein weiteres Puzzleteil in einem insgesamt düsteren Bild. In dessen Mitte liegt der riesige Kongo, wo 2011 ebenfalls eine Wahl ansteht – und Präsident Kabila in den letzten Monaten seine Repressalien gegen Bürgerrechtler und kritische Medien verschärft hat. Gleich darüber im Sudan dürfte es mit dem Referendum an diesem Sonntag zur zweiten Abspaltung eines Landes in Afrika seit der Dekolonialisierung kommen. Nach Eritrea, das sich 1993 von Äthiopien trennte, wird der Südsudan wohl für eine Abspaltung vom sudanesischen Zentralstaat votieren.

Dies könnte wiederum zum Präzedenzfall für Nigeria werden, dem bevölkerungsreichsten Staat des Kontinents, wo im April gewählt wird: Wie der Sudan ist auch Nigeria tief gespalten zwischen einem muslimisch-arabischen Norden und einem christlich-animistischen Süden. Nicht wenige prophezeien, dass Nigeria zerbrechen wird – mit verheerenden Folgen.

Dass es auf dem schwarzen Kontinent ungleich häufiger zu eklatantem Wahlbetrug kommt, liegt zum einen an dem aus westlicher Sicht fehlenden Demokratiebewusstsein. Wahlen schaffen Sieger und Besiegte – und passen deshalb schlecht in das von Konsens und Harmonie geprägte Weltbild der Afrikaner. Gerade deshalb verstärken Wahlen in Afrika oft gesellschaftliche Spannungen, statt sie zu lindern. Zum anderen werden die Eigenheiten des (europäischen) Nationalstaats in Afrika oft mit den traditionellen Normen der dortigen Gesellschaft wild vermischt. Hinzu kommt eine fast unumschränkte Machtfülle afrikanischer Staatschefs – und ein Verständnis vom Staat, das diesen als reine Einnahmequelle der herrschenden Volksgruppe begreift. Das Wort Gemeinwohl ist in Afrika bis heute so gut wie unbekannt.

Die Selbstbedienungsmentalität der afrikanischen Eliten hat dazu geführt, dass sich immer mehr Staaten in Auflösung befinden. Im Sudan ist schon deshalb eine Sezession des Südens zu erwarten, weil diese Region von den Machthabern im Norden sträflich vernachlässigt wurde. Das Gleiche gilt für den Nordteil der Elfenbeinküste. Zehn verlorene Jahre liegen hinter dem einstigen Entwicklungsmodell Westafrikas. Es ist eine Bilanz, die zu Hoffnung wenig Anlass gibt.

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