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Wunder, oh Wunder, die Staatsoper ist auf Sand und Pfählen gebaut!

© dpa

Senatsbaudirektorin Regula Lüscher: Berlin baut auf Sand und Sumpf

Von "A" wie Akademie der Künste über "F" wie Flughafen bis zu "Z" wie Zentralbibliothek: Berlin ist unehrlich, wenn es um öffentliche Bauprojekte geht. Bis zum "point of no return", dem Glücksmoment der Bauherren, von dem an umzuplanen oder aufzuhören teurer käme als weiterzubauen.

Berlin erlebt zur Zeit eine Endlosaufführung des immer gleichen schlechten Stücks. Aber es handelt sich nicht etwa um eine schmerzhaft missratene Fassung von Verdis Rigoletto, nein, dargeboten wird dem Publikum Regula, auch als Tragödie, auch in der Oper. Es dreht sich um die Berliner Senatsbaudirektorin Regula Lüscher, deren Schicksal zugleich das der Stadt zu sein scheint: ewig zu werden, niemals zu sein. Beide berauschen sich gerne an schönsten, hochfliegenden Plänen, die aber absehbar enden: unterirdisch, und zwar in jeder Bedeutung des Wortes. Auf dem Boden der Tatsachen stehen sie nie. Die Wahrheit liegt eh darunter.

Noch vor einem halben Jahr hatte Regula Lüscher, Nachfolgerin des Nachwendebaumeisters Hans Stimmann, dem Volk ein Märchen erzählt. Die sanierte Staatsoper könne zwar wegen unvorhersehbar aus den schlammigen Tiefen aufgetauchter Fäulnis an ebenso unvorhersehbar entdeckten Pfählen erst im Herbst 2015 eröffnet werden, zwei Jahre später als einst geplant; aber, das versicherte die Baudirektorin, es bleibe bei den veranschlagten Kosten von etwas mehr als 240 Millionen Euro. Der Senatssprecher zitierte dazu das Berliner Grundgesetz: Das sei zwar alles „nicht schön, aber unvermeidlich“.

Nicht schön, aber unvermeidlich ist die Lage offensichtlich auch heute wieder, mit ein paar kleinen Änderungen. Die Staatsoper wird nicht 2015 fertig, sondern irgendwann, und sie kostet auch ein bisschen mehr, mindestens 45 Millionen Euro. Und damit sind wir, was für ein Zufall, ziemlich genau bei dem Preis angelangt, der ursprünglich einmal genannt, aber vom Regierenden Bürgermeister als „politisch nicht vermittelbar“ abgelehnt worden war. So ist es bei nahezu allen öffentlichen Bauprojekten: Sie leben von dem Kalkül, dass zwar nicht die Wahrheit, aber jeder spätere Kostensprung politisch vermittelbar ist.

Bis zum „point of no return“, dem Glücksmoment politischer Bauherren, von dem an umzuplanen oder gar aufzuhören teurer käme als weiterzubauen. Diesen Moment verkündete die Senatsbaudirektorin, selbst kaum noch vermittelbar, soeben für die Oper. Von jetzt an wirbt die Exekutive nicht mehr um Verständnis, von jetzt an wird das Parlament mit der Aussicht auf Bauruinen um die Haushaltshoheit erpresst und dem zwangszahlenden Volk die unkündbare Einzugsermächtigung einseitig erhöht. Chuzpe statt Sorry – hier baut der Staat.

An Stelle einer Entschuldigung kommt Regula Lüscher, die alle Warnungen zuvor ignoriert hat, mit einer interessanten Erklärung: „Man sieht den Zustand erst, wenn die Verkleidung weg ist.“ Was für eine Weisheit! Sie gilt übrigens auch für politische Bauherren, ganz besonders hier in Berlin. Der Zustand: verheerend – von „A“ wie Akademie der Künste über „F“ wie Flughafen bis irgendwann zu „Z“ wie Zentralbibliothek. Und noch etwas kommt in Berlin bei fast jedem Bau als Überraschung daher: Die Stadt steht auf Sand und Sumpf. Ganz schlimm ist’s angeblich Unter den Linden, wo die Staatsoper auf noch schlimmeren Pfahlbauten steht, die ganz überraschend schon lange niemand mehr mit Holzschutzfarbe bepinselt hat.

Am Ende der Linden stand übrigens früher ein Schloss, wie im Märchen. Es soll wieder aufgebaut werden, es liegen Pläne und Kalkulationen vor, Zeit und Kosten betreffend. Es wird teuer, das schon, aber politisch ist es noch so gerade vermittelbar. Das Endlosstück wird fortgesetzt, eine Baustelle weiter.

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