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Grünen-Parteichefin Claudia Roth.

© dpa

Von Hoeneß bis zu den Grünen: Steuergerechtigkeit wird zum Topthema der Bundestagswahl

Das Topthema der Bundestagswahl lautet Steuergerechtigkeit. Kaum will ein Herr Hoeneß seiner Verhaftung wegen Steuerbetrugs mit einer Selbstanzeige entgehen, will die Opposition eben diese schnellstmöglich abschaffen - und vergisst dabei, dass die Möglichkeit zur Selbstanzeige trotzdem eine gute Idee ist.

Von Antje Sirleschtov

Als Guido Westerwelle vor vier Jahren mit dem Thema „Steuern“ in den Bundestagswahlkampf zog, erzielte die FDP mit 14,6 Prozent ein historisches Ergebnis. Aus Westerwelles Steuerplänen ist zwar seinerzeit (außer einer neuen Steuersubvention für Hotels) nicht viel geworden. Aber das Thema ist noch immer en vogue. Oder schon wieder?

In fünf Monaten ist Bundestagswahl, und plötzlich wird allerorten nur noch über Steuern gesprochen. Über die, die man bezahlen muss genauso wie über die, die man hinterziehen darf, ohne dafür später in den Knast zu wandern.

Und weil Steuern viele Wähler wie kein anderes Thema elektrisieren, sind alle Wahlkämpfer mit heißem Herzen dabei. Da beschließen die Grünen ein Steuererhöhungskonzept, bei dem deutsche Mittelschichtfamilien und damit ihre Kernwählerschaft mal eben gefühlt zu „Reichen“ werden und mehr Belastungen hinnehmen sollen, damit es in Deutschland in Zukunft gerechter zugeht.

Eine Bundeskanzlerin wiederum, die sonst eher zurückhaltend mit schnellen Entscheidungen ist, setzt mal eben eine Arbeitsgruppe zur Abschaffung eines hundert Jahre alten Steuergesetzes ein – nur, weil ein gewisser Herr Hoeneß aus Bayern seiner Verhaftung wegen Steuerbetrugs mit einer Selbstanzeige entgehen wollte und die Opposition meint, man solle nicht nur Hoeneß bestrafen, sondern die Selbstanzeige gleich ganz abschaffen. Willkommen im Wahlkampf 2013: „It’s tax-time“.

Fehlt nur noch ein gewisser Professor aus Heidelberg, der durchs Land reist und seine Flat-Tax anpreist, von der Gerhard Schröder seinerzeit behauptet hat, mit ihr werde die Krankenschwester genauso viele Steuern zahlen wie der Chefarzt. Alle besonders Engagierten im Wahlkampf seien zur Warnung noch einmal erinnert: Weder wurde Paul Kirchhofs Steuerkonzept nach 2005 umgesetzt, noch hat die Kritik daran Schröders SPD zum Wahlsieg verholfen.

Lerne also: Wer mit dem Geld der Leute (wozu ihre Steuern gehören) Wahlkampf machen will, sollte besonnen vorgehen. Nicht jeder, der findet, dass die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland zu weit offen ist, meint auch gleich, er und seine Familie sollten diese Gerechtigkeitslücke schließen. Und nicht jeder Unternehmer, der feststellt, dass er vor Jahren mal zu wenig Steuern bezahlt hat und nun reinen Tisch machen will, ist gleich ein Steuerhinterzieher, den man wie einen Aussätzigen der Gesellschaft behandeln und ins Gefängnis stecken muss.

Gerade in einem so undurchsichtigen Steuersystem wie dem deutschen gibt es gute Gründe dafür, den Betroffenen die Möglichkeit zur Selbstanzeige zu geben. Da hilft auch eine „Bagatellgrenze“ nicht weiter, weil sie die Hintergründe der Steuerverkürzung nicht gewichtet.

Die Grünen setzen mit ihrem Steuerkonzept auf einen Bewusstseinswandel bürgerlicher Wähler und deren Bereitschaft zum Verzicht. Beim Thema Umwelt hat sie das erfolgreich gemacht. Ob das Kalkül aber auch aufgeht, wenn es an das Geld der Familien geht?

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