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Viele Duisburger machen Oberbürgermeister Adolf Sauerland für die Loveparade-Katastrophe mitverantwortlich und fordern seinen Rücktritt.

© dpa

Loveparade-Katastrophe: Sündenbock Sauerland

Hinter der Forderung nach dem Rücktritt des Duisburger Oberbürgermeisters können sich viele verstecken, die genauso moralische oder politische Schuld auf sich geladen haben. Aber kein Politiker, der jetzt das große Wort schwingt, würde freiwillig auf seine Rente verzichten.

Noch vor vierzehn Tagen war Adolf Sauerland allenfalls Insidern in der Kommunalpolitik bekannt. Doch seit der Loveparade-Katastrophe ist der Name des Duisburger Oberbürgermeisters in aller Munde. Die Medien haben den Christdemokraten als den Hauptschuldigen ausgemacht, wenn schon nicht im strafrechtlichen Sinne, dann zumindest moralisch. Die Forderungen nach seinem Rücktritt reißen nicht ab, sogar der Bundespräsident hat Sauerland den Amtsverzicht nahe gelegt. Doch weil Sauerland sich an sein Amt klammert, wird im Stadtrat jetzt seine schnelle Abwahl vorbereitet. In der Stadt werden bereits Unterschriften für ein Bürgerbegehren gesammelt. Vor dem Rathaus fordern Demonstranten „Sauerland muss weg“.

Die Wut, die Trauer, die Ohnmacht angesichts von 21 Toten und vielen Verletzten verlangt nach einem Schuldigen, nach einem Sündenbock und Sauerland hat sich gerade zu aufgedrängt. In den letzten zehn Tagen hat er fast alles falsch gemacht. Am Tag der Katastrophe war er im Urlaub, am Sonntag las er eine abwiegelnde Erklärung vom Blatt ab. Persönliche Worte der Entschuldigung, des Bedauerns oder der Anteilnahme kamen ihm nicht über die Lippen. Seitdem ist er abgetaucht, bei der Trauerfeier eine Woche später fehlte er.

Der Rücktritt würde die Schuldfrage nicht klären

Nur, was wäre anders, wenn Sauerland sein Amt zur Verfügung stellen würde? Wüsste die Öffentlichkeit dann mehr darüber, was zu der Katastrophe geführt hat, wer wann und wo versagt hat, warum 21 Menschen sterben mussten? Würde das peinliche Schwarzer-Peter-Spiel zwischen Veranstalter, Polizei und Stadt dann aufhören? Wohl kaum. Die Opfer, die Angehörigen und die Öffentlichkeit werden sich noch gedulden müssen, bis der genaue Ablauf der Ereignisse rekonstruiert ist, bis Gerichte die Ereignisse gewürdigt haben, könnte es sogar Jahre dauern. Zumindest solange gilt strafrechtlich die Unschuldsvermutung, auch für Sauerland.

Natürlich gelten in der Politik andere Gesetze. Da stellt sich auch die Frage der politischen Verantwortung. Aber Sauerland war längst nicht der einzige, der im Vorfeld der Loveparade Sicherheitsbedenken beiseite geschoben hat. Die Liste der Politiker, die diese Massenveranstaltung herbeigejubelt hatten, ist ziemlich lang. Sie umfasst Kommunal-, Landes- und Bundespolitiker gleichermaßen. Genauso lang scheint die Liste derjenigen, die es mit den Sicherheitsvorkehrungen nicht so genau genommen haben. Manches spricht mittlerweile sogar dafür, dass die entscheidenden Fehler nicht von der Stadt Duisburg gemacht wurden.

Doch warum fordert niemand den Rücktritt des Polizeipräsidenten, des Ordnungsdezernenten oder des Geschäftsführers der Ruhr.2010 GmbH, die die Loveparade unbedingt im Rahmen der Europäischen Kulturhauptstadt durchführen wollte? Warum demonstriert niemand gegen den Veranstalter Rainer Schaller und seine Fitness-Studio-Kette? Wie gut, dass Sauerland den ganzen Zorn und fast alle Schlagzeilen auf sich zieht und sich viele andere dahinter verstecken können.

Auch die Kritik daran, dass sich Sauerland vor allem mit Blick auf seine Rentenbezüge an sein Amt klammert, sind wohlfeil. Natürlich scheint es pietätlos, angesichts von 21 Toten zuerst an das eigene Portemonnaie zu denken. Aber Minister, die mit üppigen Übergangsgeldern ausgestattet werden, haben leicht reden. Politiker, die sich selbst hohe Renten genehmigt haben, fallen weich, wenn auf ihr Amt oder ihr Mandat verzichten. Bei Sauerland geht es jedoch nicht um Peanuts, sondern um Pensionsansprüche, die sich zu einem Rentenbarwert im höheren sechsstelligen Bereich summieren könnten. Keiner derjenigen, die in den letzten Tagen den Rücktritt des Oberbürgermeisters gefordert haben, würde freiwillig auf so viel Geld verzichten und so selbstlos die politische Verantwortung übernehmen, damit die Öffentlichkeit ihren Sündenbock bekommt.

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