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Auftritt im Staatsfernsehen: Russlands Präsident Wladimir Putin.

© dpa

Ukraine-Krise: Warum die Russen Putin gut finden

Die Russen stehen treu wie nie zu ihrem Präsidenten. In Umfragen sagen viele, sie zögen eine Rolle Russlands als Weltmacht einem hohen Lebensstandard vor. Auf Dauer wird das aber nicht reichen. Ein Kommentar.

Zustimmungsraten von weit über 80 Prozent – demokratisch legitimierte Staatschefs des Westens können davon nur träumen. So hohe Quoten sind in der Regel das Markenzeichen von Diktatoren wie dem „geliebten Führer“ in Nordkorea. Veröffentlicht werden sie von gleichgeschalteten Statistikbehörden.

Kremlchef Wladimir Putin dagegen kam nach dem Russland-Beitritt der Krim selbst bei kritischen Meinungsforschern auf stolze 82 Prozent Zustimmung. Die linientreue Konkurrenz attestierte ihm 85 Prozent. Das ist mehr als im März 2000, als er zum ersten Mal gewählt wurde und im In- und Ausland noch als Lichtgestalt ohne Fehl und Tadel galt. Nach dem finalen Rundumschlag gegen Opposition, Zivilgesellschaft und kritische Medien zu Beginn seiner dritten Amtszeit 2012 dagegen vertraute weniger als die Hälfte der Russen noch Putin. Die Protestbewegung nach den nicht ganz lupenrein verlaufenen Parlamentswahlen Ende 2011 hatte ihn noch zu kosmetischen innenpolitischen Korrekturen gezwungen. Voreilig jubelte der Westen diese zur „Schneerevolution“ hoch.

Das ist Schnee von gestern – im Wortsinn. Der Anschluss der Krim bekam Putin wie eine Badekur. Nie zuvor – nicht bei Moskaus Tschetschenien-Feldzügen, nicht bei Russlands Krieg gegen Georgien im August 2008 – stand die Nation in Treue fester zu ihrem Herrscher als in der Ukraine-Krise. Sogar Putins Intimfeinde aus dem Lager der demokratischen Opposition dreschen zum Entsetzen ihrer Sympathisanten im Westen nur noch verhalten auf ihr Hassobjekt ein. Die Restauration des Imperiums ist offenbar auch für liberale Gemüter eine satanische Versuchung.

Vor allem aber: Mit Kritik an Putins Ukraine-Politik fängt man in überschaubaren Zeiträumen keine Wähler mehr. Immerhin gaben bei Umfragen auf dem Höhepunkt der Krim-Krise Anfang März knapp 70 Prozent zu Protokoll, der Status einer Weltmacht für Russland sei ihnen wichtiger als ein hoher Lebensstandard. Putin bekommt damit zuzüglich zum Mandat des Senats für ein militärisches Eingreifen in der Ukraine auch das Mandat der Bürger für das, was russische Politikwissenschaftler „aktives Krisenmanagement“ nennen.

Russland agiert wieder auf Augenhöhe mit dem Westen

Manch ein Beobachter sieht nach dem Beitrittsgesuch von Moldawiens abtrünniger Teilregion Transnistrien russische Soldaten bereits in die Südukraine einmarschieren und einen Korridor öffnen. Denn Transistrien hat keine gemeinsame Grenze mit Russland. Mit dem Coup würde die Ukraine auch ihren Zugang zum Schwarzen Meer verlieren, in Odessa dann nicht die Nato, sondern die russische Seekriegsflotte liegen.

Soweit könnte es kommen, muss es aber nicht. Auch Weltmächte fahren beim „aktiven Krisenmanagement“ besser mit politischem und diplomatischem Druck – eine tiefere Kenntnis der Zielregion vorausgesetzt. Die Regierung in Moskau weiß das spätestens seit dem Desaster im Irak, wo die USA nach dem russischen Spruch vorgingen: Gewalt komm raus, Hirn bleib zu Haus. Russland, wieder stark genug, um mit dem Westen auf Augenhöhe zu verhandeln, wie in der Syrien-Krise und beim Atomstreit mit Iran zu sehen war, wird auf einer Föderalisierung der Ukraine bestehen. Und dann entspannt zusehen, wie sich die Dinge zu Moskaus Gunsten entwickeln: Hirn komm raus, Gewalt bleib zu Haus.

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