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Es gibt sie noch, die französische Extravaganz in der Autobranche, auch jenseits der neuen Marke DS. Der Citroën C4 Picasso ist dafür ein gutes Beispiel.

© Rainer Ruthe

Praxistest Citroën C4 Picasso: Der Charakter-Typ

Vans gelten für große Teile der Kundschaft als eher langweilig. Mit dem Citroën C4 Picasso hat der französische Hersteller ein ganz gutes Argument dagegen. Beherrscht der extravagante Kompakt-Van aber auch die Pflichtdisziplinen eines Familienfreundes? Der Praxistest.

Geschmäcker ändern sich. Auch beim Autokauf. Das müssen derzeit die Anbieter von konventionellen Vans schmerzlich erfahren. Immer mehr Leute wählen statt der Großraumlimousine, welcher irgendwie doch der Ruch eines Pampersbombers anhaftet, lieber einen SUV. Dieser ist schicker, und er macht psychologisch auch gleich jünger. Doch es gibt auch andere Vans, so wie den Citroën C4 Picasso. Der ist nicht so tröge wie ein normaler Van vom Schlage eines VW Touran. Und der charismatische Franzose bietet ebenfalls viel Platz, überdies kann man sich mit dem Picasso neben den trendigen SUV durchaus sehen lassen: Aha, das sind Leute, die keinen normalen Van fahren wollen, deshalb sind sie in diesem Citroen unterwegs, mit dem sie auffallen.

Was bietet der Citroën C4 Picasso sonst noch außer dem Auffallfaktor? Wie praktisch ist dieser Franzose, und vor allem wie gut ist er mit dem neuen kleinen 120-PS-Euro-6-Dieselmotor? Reicht der wirklich aus? Die Antwort gibt unser Praxistest mit dem immerhin gut 33 000 Euro teuren Citroën C4 Picasso BlueHDI 120 Selection, der auf über 2000 Kilometern Testfahrt so manche Überraschung bereit hielt.

Außen und Innen

Der Franzose wirkt nicht nur kompakt, er ist es tatsächlich. Mit seiner Länge von 4,42 Metern ist dieser Van exakt so lang wie der aktuelle Opel Astra. Und jetzt sogar elf Zentimeter kürzer als der VW Touran, welcher bei der Überarbeitung um 11,3 Zentimeter in der Länge auf 4,53 Meter zugelegt hat. Dennoch wirkt der Citroën C4 Picasso frischer als der just aufgefrischte VW Touran mit seinem strengen Design. Die über den in Höhlen sitzenden Bi-Xenon-Lampen wie Augenbrauen angeordneten LED-Tagfahrleuchten verleihen dem Franzosen einen ganz eigenen Charakter. Die hinteren abgedunkelten Fenster strecken das Auto optisch, und das stämmige Heck mit der großen elektrisch betätigten Klappe (475 Euro) drücken das Auto optisch auf die Straße. Keine Spur von Hochbeinigkeit, die einigen Vertretern dieser Spezies eigen ist.

Von hinten sieht der Citroën C4 Picasso fast brav aus. Der kleine Diesel entwickelt aus seinen 1,6 Liter Hubraum ein beachtliches Drehmoment von 300 Newtonmeter. Damit zieht er zwar Pflüge über den Berg, kommt aber dennoch gut vom Fleck.
Von hinten sieht der Citroën C4 Picasso fast brav aus. Der kleine Diesel entwickelt aus seinen 1,6 Liter Hubraum ein beachtliches Drehmoment von 300 Newtonmeter. Damit zieht er zwar Pflüge über den Berg, kommt aber dennoch gut vom Fleck.

© Rainer Ruthe

Dieser Citroën-Van macht bei seinem im Stil einer Lounge eingerichteten Innenraum bewusst vieles anders als die Konkurrenten. Da gibt es statt gewohnter konventioneller Anzeigen hinter dem Lenkrad zwei mittig platzierte übereinander liegende XXL-Monitore. Dank ihrer großen Abdeckungen lassen sie sich auch bei Sonneneinstrahlung gut ablesen, und sie können frei konfiguriert werden. So entscheidet der Fahrer nach Gusto, ob er auf runde oder eckige Digital-Anzeigen blicken will. Auch der Drehzahlmesser kann durch andere Anzeigen ersetzt werden. So weit, so gut. Doch bei der Bedienung sind die Franzosen übers Ziel hinausgeschossen. Etwas anders zu machen, heißt noch lange nicht, es auch besser zu machen. Anfangs sorgte das doppelte Digitaldisplay ein ums andere Mal für Verwirrung. Oben wird es nämlich bedient über ungekennzeichnete Tasten am Lenkrad und am rechten Lenkstockhebel, unten hingegen per Fingerdruck auf dem berührungsempfindlichen Schirm. Das gelingt nicht immer sofort auf Anhieb. Erst nach ein paar Tagen hat man das richtige Drücken an den richtigen Stellen raus.

Sitzen und Laden

Die vorderen Ledersitze, übrigens mit Massagefunktion im Paket für 1900 Euro, sind groß, bequem, gut gepolstert – und unfranzösisch straff. Wer auf dem Beifahrersitz Platz nehmen darf, hat das große Los gezogen. Er genießt Wellness auf der Fahrt: Elektrisch fährt eine Fußstütze nach oben, die Lehne neigt sich elektrisch nach hinten, und der Satz massiert einen. Was will man mehr? In der zweiten Reihe geht es nicht ganz so fürstlich zu, aber immer noch ausreichend bequem. Das Enkelkind jedenfalls hat sich wohl gefühlt. Und es ist anspruchsvoll.

Doch letztlich werden Vans zuallererst wegen ihres großen und wandelbaren Innenraums von Leuten gekauft, die heute Platz für fünf Leute und morgen Stauraum für einen Miniumzug benötigen. Und da ist der Citroën C4 Picasso ganz gut unterwegs, er hat für seine Größe eine ordentliche Ladekapazität zu bieten: 537 bis 1709 Liter. An die Schluckfreudigkeit des Klassenprimus VW Touran (743 bis 1880 Liter) kommt er allerdings bei weitem nicht ran.

Die Variabilität ist dafür gut. Die Sitze der zweiten Reihe des Citroën C4 Picasso können einzeln um 13 Zentimeter längs verschoben werden. Und mit einem Handgriff lassen sich auch zusammenfalten. Allerdings hat die Sache einen Haken. Der sind die fragil wirkenden Schlaufen an den Sitzen. Zunächst hat man Angst, diese abzureißen. Doch keine Bange, sie halten was aus. Doch wer die kleine Schlaufe an der Sitzseite versehentlich mehr nach vorn als nach oben zieht, zerrt mitunter den ganzen Sitz gleich mit nach vorn. Auch hier macht Übung den Umbau-Meister. Dafür ist die Ladefläche dann schön eben. Und wer den Beifahrersitz in der ersten Reihe umklappt (Serie!), der hat bei Ikea kein Lade-Problem.

Fahren und Tanken

Also, man braucht schon etliche hundert Kilometer, um sich auf dieses besondere Auto einzustellen. Vieles ist anders als gewohnt. Nicht nur bei der Bedienung (siehe oben), auch beim Fahren. Der optisch von außen eher kompakt wirkende Van entpuppt sich nach dem Platznehmen als zwar übersichtliches aber auch recht ausladendes Auto, auf dessen Reaktionen auf Lenkbewegungen man sich erst einmal einstellen muss. Hinzu kommt, dass die recht leichtgängige Lenkung den Van zuweilen nervös erscheinen lässt und die Rückmeldung von der Straße besser sein könnte. Lange Autobahnetappen zügig bolzen? Aber ja! Kurven räubern auf winkligen Bergstraßen? Nein! Der Citroën C4 Picasso erzieht früher oder später auch sportlich angehauchte Fahrer zu gelassener Fahrweise, über die sich vielleicht später darüber sogar freuen.

Außen wie innen anders: Der Citroën C4 Picasso überrascht mit einem Blick durch den Lenkradkranz in die Leere. An die ungewöhnliche Anordnung gewöhnt man sich aber schnell.
Außen wie innen anders: Der Citroën C4 Picasso überrascht mit einem Blick durch den Lenkradkranz in die Leere. An die ungewöhnliche Anordnung gewöhnt man sich aber schnell.

© Rainer Ruthe

Von einem Van wird man keine Handlichkeit eines GTI erwarten. Dennoch empfiehlt es sich, Kurven mit einer hier notwendigen Gelassenheit anzugehen. Das vermindert die Neigung zum Wanken und zugleich das stoische Schieben des Fronttrieblers zum Kurvenaußenrand. Sollte man sich doch mal nicht dran halten, greift das aufmerksame Elektronische Stabilitätsprogramm mit gezielten Bremseingriffen ein. Dafür erweist sich dieser Van als optimales Gefährt, um lange Strecken entspannt zu bewältigen, mit gutem Komfort, geringen Windgeräuschen und luftigem Raumgefühl, welches von den großen Glasflächen sowie dem riesigen Panoramaglasdach mit elektrischer Jalousie und seinem samtigen Lichteinfall wirkungsvoll unterstützt wird. Dieses luftige Auto wirkt innen viel größer als es tatsächlich ist.

Tja, und der Motor? Der mittlere Diesel – 100, 120, 150 PS – ist tatsächlich die goldene Mitte: Nur 1,6 Liter Hubraum, aber bärenstark. 300 Newtonmeter Drehmoment ab nur 1750 Touren. Der Langhuber liefert die 120 PS bei entspannten 3500 Umdrehungen pro Minute ab. Und so fährt er sich auch: nicht fordernd, aber nachdrücklich. Nicht hektisch, aber auch nicht langweilig. Er arbeitet französisch-kultiviert, aber zugleich deutsch-engagiert und trinkt untypisch-schottisch: Nur 5,6 Liter waren es auf den gut 2000 Kilometern Testfahrt. Eine Sparfahrt (ohne Klimaanlage) ergab ausgezeichnete 4,7 Liter für dieses große Auto. Selbst den Anstieg auf der Großglocknerhochalpenstraße (ein Muss für engagierte Autofahrer) ließ den Durchschnittsverbrauch nicht über 6,4 Liter steigen. Respekt. Obwohl der Tank mit 55 Litern recht klein bemessen ist, reicht sein Inhalt für gut 1000 Kilometer bis zu nächsten Tankstopp.

Hören und sehen

Sie hören zumeist kaum etwas! Der laufruhige Selbstzünder klingt vor allem aus der Autobahn fast schon wie ein Benziner. Die Wind- und Fahrgeräusche halten sich weitestgehend zurück. Der C4 Picasso ist eine rollende Lounge. Oder ein ICE? Man kommt sich nämlich im Citroën C4 Picasso vor, als würde man im Führerstand eines ICE sitzen, denn die Aus-Sicht aus dem C4 Picasso ist so ganz anders als bei den meisten anderen Vans. Man hat gut einen Meter Armaturenbrett-Landschaft mit zwei großen Displays vor sich, dazu die Panorama-Frontscheibe mit der Extra-Aussicht nach oben und die schmalen doppelten A-Säulen – so wähnt man sich als Fahrer eines ICE, zumal die bequeme Sitzposition mit den optimal angeordneten Armlehnen dazu passt. Im Citroën C4 Picasso reist der Fahrer erster Klasse.

Der Citroën C4 Picasso gehört zu den kompakten Vans und bietet fünf Sitzplätze. Wer mehr Passagiere transportieren möchte, der kann zum größeren Grand C4 Picasso mit sieben Sitzen greifen.
Der Citroën C4 Picasso gehört zu den kompakten Vans und bietet fünf Sitzplätze. Wer mehr Passagiere transportieren möchte, der kann zum größeren Grand C4 Picasso mit sieben Sitzen greifen.

© Rainer Ruthe

Die Außenspiegel sind für einen Van allerdings zu klein geraten. Daran gewöhnt man sich nur schwer. Und in der Stadt fühlt man sich mit dem nach vorn unübersichtlichen C4 Picasso (Nachteil des sehr tiefen Cockpits) nicht gerade wohl, denn der 1,83 Meter breite Van lässt sich schlecht durch enge Gassen zirkeln.

Wählen und zahlen

Ohne Aufpreis gibt es so nützliche Dinge wie eine herausnehmbare Taschenlampe im Kofferraum sowie eine eingebaute Suchfunktion. Damit kann das Auto auf einem großen unübersichtlichen Parkplatz bei Nacht schnell geortet werden. Einfach auf dem Autoschlüssel ein spezielles Symbol drücken, und der Citroën C4 Picasso blinkt zehn Sekunden fröhlich vor sich hin, und die Deckenbeleuchtung schaltet sich ein. Fertig.

Los geht es beim Citroën C4 Picasso mit dem sehr empfehlenswerten 120 PS starken Dieselmotor bei 26140 Euro. Die 2550 Euro günstigere Version mit 100-PS-Diesel scheidet für all jene aus, die oft mit voller Zuladung (immerhin 640 Kilogramm) längere Strecken fahren. Und das 150-PS-Dieselmodell ist gleich wieder 3350 Euro teurer, weil das erst ab einer höheren Ausstattungslinie verfügbar ist. Wer sich nicht ständig über die hakelige und mit nervigem Klacken zu Werke gehende Sechsgang-Schaltbox ärgern will, sollte 1500 Euro einplanen für eine Sechsstufenautomatik, die laut Werk nur 0,1 Liter mehr verbraucht. Wer viel nachts fährt, für den sind die gut die Fahrbahn ausleuchtenden mitlenkenden Bi-Xenon-Scheinwerfer ein Sicherheits-Muss.

Mindestens 537 Liter passen ins Heck des Citroën C4 Picasso. Bei vollständig umgelegter Rückbank werden es bis zu 1710 Liter.
Mindestens 537 Liter passen ins Heck des Citroën C4 Picasso. Bei vollständig umgelegter Rückbank werden es bis zu 1710 Liter.

© Rainer Ruthe

Für immerhin 1290 Euro extra bietet Citroën das so genannte Drive Assist Paket an, welches unter anderem eine automatische Geschwindigkeitsregelung mit Abstandsradar und -warner sowie einen Spurhalteassistenten beinhaltet. Auch eine Totwinkelüberwachung ist gegen Aufpreis erhältlich. Richtig perfekt sind diese Systeme jedoch nicht, denn der Abstandsradar reagiert nur bei geringen Tempounterschieden zwischen eigenem und vorausfahrendem Fahrzeug zuverlässig und agiert ohne aktiven Bremseingriff. Der Abstandswarner spricht zu hektisch an, und der Totwinkelassistent ist bei starker Sonneneinstrahlung von hinten im Außenspiegel kaum zu erkennen. Dafür arbeitet der in diesem Paket enthaltene aktive Einpark-Assistent sehr gut; er bringt das Auto schneller in eine Parklücke rein als jeder Otto-Normalfahrer.

Gutes und Schlechtes

Im 60. Jubiläumsjahr der DS 21, besser bekannt als „Die Göttin“, scheint Citroën wieder zu alten Tugenden zurückzufinden: Autos zu bauen, die selten perfekt, dafür aber anders sind und Charisma besitzen. Obwohl der Citroën C4 Picasso schon vor zwei Jahren startete, spiegelt er wohl nach dem polarisierenden C4 Cactus am besten Citroëns seit Anfang dieses Jahres neu kreierten Markenclaim „Le Caractere“ wider. Familienkutschen müssen keine Langweiler sein. Dieser Van fällt aus dem Rahmen. Er ist ein Charakter-Kopf, der es einem nicht immer ganz leicht macht. Er ist ein Stück weit entfernt von der Perfektion eines VW Touran, und er fährt sich auch etwas anders als gewöhnliche Vans. Man muss sich auf seine Eigenheiten einlassen, wenn man mit ihm nicht in ständigem Stress leben will. Er mag es eher gemütlich, wozu der neue Euro-6-Diesel bestens passt. Damit fährt man weite Strecken stressfrei und an der Tanke freut man sich über den geringen Durst der kräftigen 120-PS-Maschine, die so gar nicht nach Diesel klingt. Diese Kombination passt.

Stärken
Individueller Auftritt

Sehr guter Dieselmotor

Variabler Innenraum

Schwächen

Gewöhnungsbedürftige Bedienung

Kleiner Tank

Unübersichtlich nach vorn

Konkurrenz
VW Touran

BMW Active Tourer

Ford C-Max

Technische Daten Citroën C4 Picasso BlueHDI 120 Selection
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) 4,43/1,83/1,64 Meter
Leergewicht 1395 Kilogramm
Kofferraumvolumen 537 / 1710 Liter
Maximale Zuladung 640 Kilogramm
Sitzplätze 5
Tankvolumen 55 Liter
Motor Reihen-Vierzylinder-Diesel-Motor mit Direkteinspritzung und Abgasturbolader, zwei oben liegende Nockenwellen 
Hubraum 1560 Kubikzentimeter
Getriebe 6-Gang-Handschaltgetriebe
Leistung (kW/PS) 88/120
Drehmoment 300 Newtonmeter bei 1750 Umdrehungen/Min
Beschleunigung 0 - 100 km/h 13,5 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 189 km/h
Verbrauch laut Hersteller (innerorts/außerorts/kombiniert) 4,5 / 3,7 / 4,0 Liter
Verbrauch im Test 5,4 Liter
CO2-Emissionen / Effizienzklasse 106 g/km / A+
Typklassen (KH/VK/TK) 15/21/21
Preis als Basisfahrzeug 26 140 Euro
Preis des Testwagens 33 810 Euro

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