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Mit einem Euro ist es bei Medikamenten in Deutschland zumeist nicht getan.

© dpa

Report: 9,4 Milliarden zu viel für Arzneien

Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für Medikamente steigen weiter ungebremst. Das belegt der Arzneiverordnungs-Report, der am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde.

Demnach sind im ersten Halbjahr 2010 die Kosten im Vergleich zum Vorjahr um 4,6 Prozent gestiegen. Damit setzt sich ein Trend fort. Schon 2009 beliefen sich die Kosten für Medikamente auf 32,4 Milliarden Euro, ein Plus von 1,5 Milliarden Euro gegenüber 2008. Die Verfasser ziehen den Schluss: Deutschland hätte 9,4 Milliarden Euro einsparen können – ohne dass die Patienten darunter gelitten hätten.

Der Report informiert jährlich darüber, wie sich die Ausgaben für einzelne Präparate entwickeln. Zum ersten Mal verglichen die Autoren auch die Apothekenverkaufspreise zweier Länder, nämlich Schweden und Deutschland. Sie fanden heraus: Die 50 umsatzstärksten patentgeschützten Arzneimittel sind hierzulande durchschnittlich fast um die Hälfte teurer. Das Gleiche gilt für Generika – eigentlich vergleichsweise günstige Präparate mit Wirkstoffen, die nicht mehr dem Patentschutz unterliegen. Hier lägen die Preise 98 Prozent über denen in Schweden. In Einzelfällen gibt es Preisunterschiede von mehr als 500 Prozent. „Wir haben inzwischen ein höheres Preisniveau als in der Schweiz oder in den USA“, sagte Leonhard Hansen als Vertreter der Ärzte.

Doch auch gerade deren Verordnungen kritisiert der Report. Laut Herausgeber Dieter Paffrath könnten 4,1 Milliarden Euro eingespart werden, wenn konsequent günstigere Generika verschrieben werden würden. Den Hauptschuldigen sehen die Verfasser allerdings in der Pharmaindustrie und deren aggressiver Preispolitik in Deutschland.

Der Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller kritisierte die veröffentlichten Zahlen, die auf 740 Millionen Verordnungen basieren: „Der Arzneiverordnungs-Report ist Schnee von gestern, denn er beschäftigt sich mit der Vergangenheit“, hieß es mit Blick auf die Gesetze, die die Regierung auf den Weg gebracht hat. Dazu zählen ein Preisstopp für Medikamente und höhere Zwangsrabatte bei Verträgen zwischen Herstellern und Kassen. Aufregung verursachte kürzlich, dass die Pharmaindustrie diese Rabatte teilweise unterlaufen hat. Ähnliches geschah bei dem geplanten Gesetz, wonach erstmals die Kassen und die Hersteller direkt über die Preise für neue Medikamente verhandeln sollen. Grundlage hierfür ist eine Nutzenbewertung der Arzneimittel. Am Wochenende wurde bekannt, dass der Gesetzentwurf nahezu wortgleich einem Vorschlag der Pharmalobby folgt.

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach warf Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) am Dienstag vor, Klientelpolitik zu betreiben und sich von der Pharmalobby steuern zu lassen. Die Politik der Bundesregierung laufe darauf hinaus, dass die Arzneimittelpreise weiter stiegen und nicht fielen, sagte er in der Bundestagsdebatte über den Gesundheitshaushalt. Die Linkspartei forderte eine wirksame Begrenzung der Arzneimittelausgaben. „Der Selbstbedienungsladen für Pharmakonzerne muss geschlossen werden“, erklärte die Gesundheitsexpertin Kathrin Vogler. Rösler verbat sich indes Kritik von SPD und Grünen, da beide Parteien in ihrer Regierungszeit nichts unternommen hätten, um die Medikamentenpreise in den Griff zu bekommen. Mit Blick auf die Arzneimittelsparpakete versicherte der CDU- Experte Jens Spahn: „Wir brechen endlich das Preismonopol der Pharmaindustrie. Mondpreise wird es künftig nicht mehr geben.“

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