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Ursula von der Leyen (CDU) trat beim Parlamentarischen Abend des Reservistenverbandes auf.

© dpa

Ärger in der Bundeswehr: Kritik an Leyen wegen Umgang mit Skandalen ebbt nicht ab

Das Ansehen von Leyen in der Truppe hat massiv gelitten. Das bekommt sie auch beim Abend des Reservistenverbands zu spüren. Und auch der SPD-Kanzlerkandidat greift sie an.

Von Robert Birnbaum

Der Parlamentarische Abend des Reservistenverbands ist für die Nummer Eins im Bendlerblock normalerweise ein nettes Lagerfeuertreffen. Aber Ursula von der Leyen und die Truppe – das ist im Moment so eine Sache. Am Montagabend prasselt sehr demonstrativer Beifall durch das Foyer der Landesvertretung Baden-Württemberg. Der Applaus der Ehemaligen in Uniform gilt dem Hausherrn Volker Ratzmann. Die Bundeswehr, hatte der Grüne in seiner Grußrede erklärt, dürfe man „nicht unter Generalverdacht stellen“.

Wer sich später dann noch etwas umhört unter den ehemailigen Militärs, bekommt viel Kopfschütteln zu sehen und Anmerkungen zu hören, die darauf hinauslaufen, dass die Frau Verteidigungsministerin es ja wohl schwer übertreibe. Besonders die Kasernendurchsuchung nach Wehrmachtsandenken ärgert viele Reservisten. Eine „Alibiaktion“ sei das, sagt ein Offizier a.D. – als ob die Bundeswehr wegen ein paar alter Helme und einem Helmut Schmidt in Wehrmachtsuniform ein Hort von Geschichtsleugnern sei!!

Tags darauf teilt die Ministerin dem Verteidigungsausschuss das Ergebnis der Suche mit. Erwartungsgemäß haben Kommandeure weitere Wehrmachtsandenken entdeckt – Münzen, Helme, Fotos und andere einzelne Überbleibsel aus der Weltkriegszeit, genau 41 Stück in den grob gerechnet 300 Standorten. Da sei wohl meist Gedankenlosigkeit im Spiel, sagt selbst Leyen; nichts davon reiche im Ausmaß an den Aufenthaltsraum in der Jägerkaserne in Illkirch heran, der „monothematisch“ mit Wehrmachtsdevotionalien ausgeschmückt sei.

Leyen will der Bundeswehr die Wehrmacht nun mal komplett austreiben

Das mit dem „monothematisch“ stimmt übrigens nicht. In dem Raum sind auch Uralt-Pistolen mit Holzgriff ausgestellt und Zeichnungen kaiserlicher Soldaten mit Pickelhaube. Selbst er zeugt mehr von einem naiv unscharfem Traditionsbild als von rechtsterroristischen Umtrieben vom Kaliber der Illkircher Offiziere Franco A. und Maximilian T..

Aber Ursula von der Leyen will der Bundeswehr die Wehrmacht nun mal komplett austreiben. Von Helmut Schmidt zum Beispiel, sagt sie im Ausschuss, gebe es „total schöne Fotos“ in Bundeswehruniform, als Verteidigungsminister oder Kanzler – also keinen Grund, an der Hamburger Bundeswehr-Universität den Namensgeber unkommentiert als Hitlers Soldat zu zeigen.

Den Vorwurf des „Generalverdachts“ weist die Ministerin noch einmal zurück. Sie habe den Abgeordneten versichert, es gehe ihr um Aufklärung. „Pauschalverdacht gegen die Truppe geht gar nicht – dem stimme ich zu“, sagt sie kurz darauf in einer Aktuellen Stunde im Bundestag. „Tausende Soldatinnen und Soldaten machen Tag für Tag hervorragenden Dienst.“ Aber alles vom Fall Franco A. bis zu Übergriffen in der Ausbildung zum Einzelfall zu erklären gehe auch nicht.

Die Opposition erklärt das zur nachgeschobenen Rechtfertigung. Zur Opposition zählt in dem Fall längst auch die SPD. Kanzlerkandidat Martin Schulz nutzt ein Treffen mit dem Chef des Bundeswehrverbands für eine Attacke. Leyen versuche alle Verantwortung für Missstände auf die Soldaten abzuschieben, sagt Schulz. Sie schädige damit das Ansehen einer Truppe, deren guter Ruf bei der Suche nach Freiwilligen essenziell sei: Das Schlimmste sei, in angespannten Situationen „ganze Berufsgruppen unter Generalverdacht“ zu stellen.

Mit dem Karabiner 98k salutiert das Wachbataillon Staatsgästen

Weiter will Schulz aber auch nicht gehen; auf die Frage, ob Leyen noch das Vertrauen des Koalitionspartners genieße, verweist er auf die Zuständigkeit der CDU-Kanzlerin für die CDU-Minister. Leyen kann denn auch die Frage kühl lächelnd parieren, wie sie mit Rücktrittsforderungen umgehe: „Diese Forderung ist nicht an mein Ohr gelangt.“

Aber erledigt ist das Kapitel für sie nicht, das mit ihrem Satz begann, „die Bundeswehr“ habe ein Haltungs- und Führungsproblem. Was den zweiten Teil angeht, widerspricht konkret nicht mal die Opposition. Gegen den Kommandeur und den Juristen, die 2014 mit der völkischen Master-Arbeit des Offiziers A. Nachsicht übten, ist ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Der MAD überprüft zudem elf Studenten der Münchner Bundeswehr-Uni auf rechtsextreme Bezüge und möglichen Kontakt zu Franco A..

Bei der Historie wird der klare Schnitt komplizierter. Ein Beispiel liefert schon das offiziellste aller Wehrmachtsüberbleibsel. Mit dem Karabiner 98k salutiert das Wachbataillon bis heute allen Staatsgästen. Er war seit 1935 bis 1945 millionenfach das Gewehr der Wehrmacht.

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