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Unter Verdacht. Bestechung oder Vorteilsannahme gibt es auch im Gesundheitsbereich. Die Bundesregierung will der Korruption nun den Garaus machen. Foto: dpa

© picture-alliance/ dpa/dpaweb

Ärzte-Korruption: Der Bestechung auf der Spur

Wie verbreitet Korruption unter Ärzten ist, weiß man nicht genau. Sie könnte aber bald besser verfolgt werden.

Dass die Dinge nicht so bleiben würden, wie sie sind, war den Funktionären spätestens seit Mitte Januar klar. Zwar hatte der Bundesgerichtshof erst im Sommer zuvor geurteilt, dass niedergelassene Kassenmediziner, selbst wenn sie noch so viele Geschenke annehmen, strafrechtlich nicht belangt werden können – weil sie weder angestellt, noch Funktionsträger von Behörden seien. Doch dann hatte Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) der Ärzteschaft den Neujahrsempfang mit der Ankündigung vermiest, sich eine gesetzliche Regelung überlegen zu wollen. Es könne nicht sein, dass Staatsanwälte nun alle Ermittlungen gegen korrupte Ärzte einstellen müssten. Eine gesetzliche Regelung sei geboten – selbst wenn es, wie von der Branche behauptet, nur wenige Korruptionsfälle geben sollte.

Tatsächlich geht es um gespenstische Zahlen. Korruption, Betrug und Falschabrechnung verschlingen drei bis zehn Prozent der Gesundheitsausgaben, schätzen Experten. Und selbst wenn es sich nur um Dunkelziffern handelt und Korruption nur einen von drei Anteilen ausmacht: Eine durch Schmiergeld beeinflusste Behandlung und Arzneiauswahl bedroht auch die Gesundheit von Patienten.

Dass der Minister bei dem Thema dennoch lange gezögert hat, hänge mit seiner Parteizugehörigkeit zusammen, behauptet die Opposition. Tatsächlich gab es handfeste Probleme. Bahr wollte unbedingt die Freiberuflichkeit der Ärzte erhalten und sie nicht zu Kassenbeauftragten erklären. Er wollte auch nicht, dass eine Strafvorschrift nur für Ärzte, nicht aber für Apotheker und andere Leistungserbringer gilt, die ebenfalls über die Krankenkassen abrechnen. Dann war da das Justizministerium, mit dem eine flotte Änderung des Strafrechts nicht zu machen war. Und außerdem: Gab es nicht bereits berufs- und sozialrechtliche Bestimmungen, die Medizinern Korruption verbieten und ihnen mit Sanktionen bis zum Zulassungsentzug drohen?

Das funktioniert alles nicht – so lautete der Tenor der Stellungnahmen, die sich Bahr dazu eingeholt hatte. Von Ländern, Versicherern, Ärztekammern, kassenärztlichen Vereinigungen. Nur selten würden „schwerwiegende straf-, berufs oder disziplinarrechtliche Sanktionen“ verhängt, so das Fazit des Ministeriums. Der Zulassungs- oder Approbationsentzug, der einem Berufsverbot entspricht, unterliege „hohen verfassungsrechtlichen Hürden“. Es fehle an einheitlichen Bestimmungen und der Selbstverwaltung „an hinreichend effektiven Ermittlungsorganen und Ermittlungsbefugnissen, um Bestechung und Bestechlichkeit in den eigenen Reihen effektiv verfolgen zu können“. Stattdessen warte man „regelmäßig die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren ab“. Oft bis Taten verjährt sind.

Für Bahr war diese vernichtende Bestandsaufnahme der Auslöser zum Handeln. Die Vorschläge seiner Fachabteilungen liegen nun auf dem Tisch, es soll ganz schnell gehen. Nicht nur Vorteilsannahme, auch Vorteilsgewährung soll verboten werden, und nicht nur für Ärzte, sondern für alle Leistungserbringer im gesetzlichen Kassensystem. Je nach Fall drohen Geldbußen oder Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren. Und das Ganze soll nicht im Strafgesetzbuch stehen, sondern dort, wo ansonsten das Vertrags- und Leistungsrecht geregelt ist: im Sozialgesetzbuch V. Was im Ergebnis keinen Unterschied macht, wie sie im Ministerium versichern.

Wenn die Fraktionen mitziehen, könnte die Strafvorschrift noch in dieser Legislaturperiode Gesetz werden. Als Änderungsantrag ließe sie sich an laufende Gesetzesvorhaben anhängen. Davon gibt es noch einige: das Präventionsgesetz, die dritte Novelle des Arzneimittelgesetzes oder auch die Einführung eines Billigtarifs für Versicherte, die ihre Beiträge nicht zahlen. Die Ärzte haben signalisiert, mit Bahrs Kompromiss eines sogenannten Nebenstrafrechts leben zu können. Derart bestraft werden sollen nach den Plänen zwar nur Bestechlichkeit und Bestechung „in großem Ausmaß“. Aber immerhin: Es ginge dann nicht mehr darum, bei Ärztekorruption untätig bleiben zu müssen. Sondern, ihr auf die Schliche zu kommen.

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