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Der Hamburger Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke (50) wurde beim Gründungsparteitag der Alternative für Deutschland Mitte April zum Sprecher des Vorstands gewählt. Zum Sprechertrio gehören außerdem die Unternehmerin Frauke Petry (37) und der Publizist Konrad Adam (71). Foto: Fabrizio Bensch/Reuters

© REUTERS

Alternative für Deutschland fordert Ende von Hilfskrediten: AfD-Chef Bernd Lucke: "Europa kann am Euro scheitern"

Der Sprecher der Alternative für Deutschland, Bernd Lucke, schlägt das Ende von Hilfskrediten vor, um die südlichen EU-Staaten aus dem Euro zu drängen. Länder wie Griechenland könnten nur mit einer eigenen Währung wieder auf die Beine kommen, sagt der Wirtschaftsprofessor im Tagesspiegel-Interview.

Herr Lucke, noch nie seit 1990 waren so wenige Menschen in Deutschland arbeitslos. Liegt das an der Agenda 2010 oder am Euro?
In erster Linie liegt es an der relativen Lohnzurückhaltung der vergangenen acht Jahre. Das hat Deutschland insgesamt wieder wettbewerbsfähig gemacht. Die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes durch die Agenda 2010 kam dann hinzu. Mit dem Euro hat das nur insofern zu tun, als er die eigentlich fällige Aufwertung unserer Währung verhindert und uns viel Kapital zu niedrigen Zinsen geliehen wird. Das begünstigt Investitionen.

Sie plädieren für einen Euro-Ausstieg. In der deutschen Wirtschaft wird befürchtet, dass dann die Exporte wegbrechen. Warum wollen Sie das riskieren?
Nein, nicht Deutschland soll aus dem Euro austreten, sondern das Euro-Währungsgebiet soll aufgelöst werden. Und zwar primär dadurch, dass die Südländer aus dem Euro ausscheiden. Wenn das erfolgt ist, ist zu prüfen, ob die Spannungen auch in Zentraleuropa zu stark werden für die Gemeinschaftswährung, denn Frankreich ist ein großer Problemfall. In jedem Fall wollen wir, dass sich die Veränderungen langsam abspielen, damit die Unternehmen sich anpassen können.

Das Problem, dass die zukünftige deutsche Währung, wie auch immer sie hieße, aufwerten müsste, bestünde aber weiterhin.
Wenn die Südstaaten ausscheiden, würde der Rest-Euro gegenüber den Südländern aufwerten, und das sind nur relativ kleine Märkte für die deutsche Exportwirtschaft. Außerdem würden die Zentralbanken der südeuropäischen Staaten mit Interventionen eine zu starke Abwertung der eigenen Währung verhindern, weil die bestehenden Auslandsschulden nicht unbezahlbar werden dürfen und weil man mit verteuerten Importen nicht zu viel Inflation zulassen will.

Aber unsere Währung würde auch gegenüber dem Dollar aufgewertet.
Das ist nicht klar. Wenn sich in den letzten drei Jahren die Euro-Krise verschärfte, hat der Euro gegenüber dem Dollar eher abgewertet. Keinesfalls würde ich eine dramatisch große Aufwertung erwarten.

Wie könnte eine Auflösung des Euro vollzogen werden?
Man könnte zunächst parallel zum Euro nationale Währungen einführen. Zum Beispiel könnte man vorschreiben, dass für manche Transaktionen der Euro und die neue nationale Währung in einem bestimmten Verhältnis gemeinsam eingesetzt werden müssen. Die Zentralbank würde nationale Währungen gegen den Euro in Umlauf bringen, so dass die eigene Währung völlig durch Euro-Bestände gedeckt wäre. Deshalb könnte sie jederzeit intervenieren und den Kurs der nationalen Währung steuern. So könnte verhindert werden, dass Unternehmen in den südlichen Staaten durch eine dramatische Aufwertung ihrer Euro-Altschulden in Schwierigkeiten kommen. Deshalb setzen wir uns für eine schrittweise Abwertung der nationalen Währung ein. Gleichzeitig würde im Zahlungsverkehr der Euro sukzessive verdrängt, indem immer stärker die nationale Währung als Zahlungsmittel eingesetzt werden muss.

Das setzt voraus, dass die südlichen Länder freiwillig aus dem Euro ausscheiden. Danach sieht es überhaupt nicht aus.
Das liegt daran, dass wir sie zurzeit mit billigen Krediten in dreistelliger Milliardenhöhe bei Laune halten.

Bei der Bundestagswahl hofft die AfD auf ein zweistelliges Ergebnis

Der Hamburger Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke (50) wurde beim Gründungsparteitag der Alternative für Deutschland Mitte April zum Sprecher des Vorstands gewählt. Zum Sprechertrio gehören außerdem die Unternehmerin Frauke Petry (37) und der Publizist Konrad Adam (71). Foto: Fabrizio Bensch/Reuters
Der Hamburger Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke (50) wurde beim Gründungsparteitag der Alternative für Deutschland Mitte April zum Sprecher des Vorstands gewählt. Zum Sprechertrio gehören außerdem die Unternehmerin Frauke Petry (37) und der Publizist Konrad Adam (71). Foto: Fabrizio Bensch/Reuters

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Wie wollen Sie verhindern, dass bei einem Auseinanderbrechen des Euro die Idee der europäischen Einigung beschädigt wird?
Die europäische Idee leidet doch gerade jetzt, denn der Euro spaltet Europa in einen stagnierenden Südteil und in einen noch prosperierenden Nordteil. Die Spannungen zwischen den Völkern nehmen zu und die Ressentiments wachsen. Europa kann am Euro scheitern, das ist die Wahrheit. Andererseits ist der Euro doch nur ein gemeinsames Zahlungsmittel. Wir haben schon viele ambitionierte europäische Projekte gehabt, die gescheitert sind, ohne dass die EU dabei Schaden davongetragen hätte. Denken Sie an die Europäische Verteidigungsgemeinschaft oder die Europäische Verfassung.

Haben Länder wie Griechenland eine Chance, wettbewerbsfähig zu werden?
Nur mit einer eigenen Währung. Und auch dann werden die Griechen nicht zu kleinen Deutschen werden, wie es der Bundesregierung offenbar vorschwebt. Wenn es der griechischen Mentalität entspricht, dass man die Dinge etwas langsamer und entspannter angehen möchte, als wir das in Deutschland tun, dann ist das das gute Recht der Griechen. Sie werden dann nicht soviel Einkommen erwirtschaften wie wir. Aber ich bin auch nicht der Auffassung, dass das Glück der Menschen ausschließlich vom Einkommensniveau abhängt.

Welche Chancen rechnen Sie sich für die Bundestagswahl aus?
Angesichts der enormen Welle an Zustimmung, die wir zurzeit kriegen, halte ich es für möglich, dass wir bis in den zweistelligen Bereich kommen können.

Wären Sie dann bereit, eine Koalition mit Union und FDP einzugehen?
Wir koalieren mit keiner Partei, die die bisherige Euro-Rettungspolitik fortsetzen will. Aber es wäre ja nicht das erste Mal, dass CDU und FDP ihre Haltung innerhalb von Tagen um 180 Grad drehen. Wenn die AfD erfolgreich ist und den anderen Parteien viele Wählerstimmen abjagt, werden die Altparteien sich schon aus strategischen Überlegungen unseren Positionen annähern. Das wird ihnen erleichtert, weil ihre bisherige Argumentation ja auch sachlich auf völlig tönernen Füßen steht.

Machen Sie mit Ihrer Partei nicht viel eher eine große Koalition oder Rot-Grün wahrscheinlicher?
In der Euro-Politik gibt es ohnehin schon eine informelle große Koalition, insofern würde sich da faktisch kaum etwas verändern. Rot-Grün wiederum halte ich für sehr unwahrscheinlich, denn nach allem, was wir aus Meinungsumfragen wissen, hat die AfD auch Zuspruch aus dem linken Lager. Es ist davon auszugehen, dass auch Rot-Grün an uns Stimmen verliert.

Wie wichtig ist Ihnen die Abgrenzung zu Rechtsextremisten und was unternehmen Sie, damit keine Schnittmenge entsteht?
Es ist uns sehr wichtig, dass wir uns zu Extremisten jeder Art abgrenzen. Wir wollen keine Antisemiten in unseren Reihen haben, keine Rassisten und keine Ausländerfeinde. Wir haben ganz klare Vorstandsbeschlüsse, die in solchen Fällen einen Parteiausschluss vorsehen. Natürlich ist es ein Problem einer jungen Partei, dass sie Protestpotenzial anzieht. Am Wochenende hatten wir erstmals den Fall, dass wir ein Parteimitglied ausgeschlossen haben, das uns eine NPD-Mitgliedschaft verschwiegen hatte. Das sind aber absolute Einzelfälle.

Das Gespräch führten Fabian Leber und Moritz Schuller.

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