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Viele Münchner legten am Samstag am Ort des Amoklaufs Blumen nieder und zündeten Kerzen an.

© Christof Stache/AFP

Amoklauf in München: Der Terror ist tief in die westlichen Köpfe eingedrungen

Es war ein Amoklauf in München, kein Attentat. Doch nach Nizza, Brüssel und Paris fühlte es sich wie Terror an. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Frank Jansen

Bevor alles andere gesagt wird, was es zu dem Amoklauf in München zu sagen gäbe, steht die Trauer um die Opfer. Acht junge Menschen, zwischen 14 und 20 Jahren alt, und eine 45-jährige Frau hat David S. erschossen. Er selbst war erst 18. Seine Eltern, seine Verwandten werden um ihn auch trauern. Was in München passiert ist, erscheint so furchtbar, dass es schwerfällt, zur nüchternen Analyse überzugehen. Das Land ist verletzt. Es fühlt einen Schmerz, wie er stärker kaum sein kann.

Zehn Menschen sind tot. David S. hat neun Männer und Frauen und sich selbst aus dem Leben gerissen. An einem normalen Sommertag, an einem Ort unaufgeregter Alltäglichkeit – einem Einkaufszentrum. David S. hat München und die ganze Republik mit tödlichem Terror geschockt. Vielleicht nicht zufällig am fünften Jahrestag des Massakers, das der Norweger Anders Breivik verübt hatte. Doch der psychisch angeschlagene David S. hatte offenbar kein politisches Motiv. Es war wohl nicht der klassische Terror eines extremistisch Verirrten. Den hat München ja auch erlebt, 1980 beim Anschlag eines Neonazis auf das Oktoberfest und 1972 beim Angriff militanter Palästinenser auf die Olympischen Spiele. Dennoch ist jetzt, so scheint es, die Zäsur noch tiefer. „München“ zeigt, was Terror mit uns macht. Drastischer als je zuvor – in einem Land, das bislang weit weniger Terror erlebt hat als andere.

Der gefühlte Terror war überall

Da war Panik in München, Chaos. Ein einziger Attentäter hat die drittgrößte deutsche Metropole in Schrecken versetzt – und lahmgelegt. Keine Busse fuhren mehr, keine Straßenbahnen, keine U-Bahn, keine S-Bahn. Der Hauptbahnhof wurde geräumt. Die Polizei rief die Bevölkerung auf, in den Wohnungen zu bleiben. Dennoch irrten Menschen herum. Und viele verbreiteten über ihre Smartphones und via Facebook und Twitter Horrorgeschichten wie die von einer angeblichen Schießerei am Stachus. Die sozialen Medien wirkten in dieser Nacht wie Panikbeschleuniger. Mehrmals bat die Polizei über Twitter, keine Spekulationen zu verbreiten und keine Bilder vom Einsatz der Sicherheitskräfte. Doch der gefühlte Terror war überall. Die moderne Kommunikation reißt sich selbst mit.

München hat in dieser Horrornacht anrührende Momente erlebt

Das ist allerdings nur ein Teil der Realität. Gerade auch dank der sozialen Medien (und der sie geschickt nutzenden Pressestelle der Polizei!) hat München in dieser Horrornacht anrührende Momente erlebt. Es öffneten sich Türen für Menschen, die nicht mehr nach Hause kamen. Leute bildeten Fahrgemeinschaften, ohne sich je begegnet zu sein. Und Twitter und Facebook transportierten flutartig Mitgefühl für die Opfer und ihre Angehörigen. Es war die Empathie vieler „Normalbürger“, und sie wurde rasch ergänzt von Barack Obama, Francois Hollande und sogar Wladimir Putin. Die Präsidenten fühlten mit Deutschland. Das tat gut. München und die Welt waren ganz nah beieinander.

Auch weil der Terror tief in die westlichen Köpfe eingedrungen ist. Heute sind bei Meldungen über eine Schießerei oder Explosion sofort Anschlagsbilder präsent. Erst recht, seit die Terrormiliz IS und ihre mörderischen Sympathisanten den Westen mit einer immer dichteren Abfolge von Angriffen heimsuchen. Es ist noch keine Woche her, als in Würzburg ein Fan des IS mit der Axt blutig wütete. Kurz zuvor geschah „Nizza“. Und davor, und nicht nur, Orlando, Brüssel, Paris. Gefühlt gehört auch München dazu.

Unseren Liveblog vom Samstag können Sie hier nachlesen.

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