zum Hauptinhalt

Politik: Angst vor Terror – und einem Kurdenstaat

Im Nordirak sitzt die PKK. Und Ankara ärgert sich, dass die USA nichts gegen die Rebellen unternehmen

Wenn türkische Politiker über die Lage im Irak reden, dann fällt häufig die Wendung „konkrete Schritte“. Seit der amerikanisch-britischen Invasion vor drei Jahren fordert Ankara „konkrete Schritte“ der Kriegsallianz und der neuen irakischen Regierung, um die türkisch-kurdischen Rebellen der PKK aus ihren Lagern im Nordirak zu vertreiben. Doch diese Schritte sind bisher ausgeblieben. Die Türkei muss zusehen, wie die kurdische Autonomiezone im Nordirak sich immer mehr von der Zentralgewalt in Bagdad löst und wohlhabender wird. Das könnte Folgen haben. Ein Istanbuler Forschungsinstitut hält es für möglich, dass viele Menschen aus dem verarmten Kurdengebiet der Türkei zu den kurdischen Vettern im Nordirak auswandern könnten.

Nach ihrem Nein zur US-Truppenstationierung für den Angriff auf den Irak im März 2003 wurde die Türkei zur Zuschauerrolle verdammt: Den Einmarsch türkischer Truppen in Iraks Norden lehnte die US-Regierung strikt ab. Als die PKK vor zwei Jahren von den nordirakischen Kandil-Bergen aus erneut mit Terror auf türkischem Boden begann, schickte Ankara mehrere 10 000 Soldaten ins Grenzgebiet, allerdings nicht über die Grenze.

Trotz Beschwerden und Forderungen der Türkei haben weder die US-Truppen noch die neuen irakischen Streitkräfte etwas gegen die PKK unternommen. Die US-Armee im Irak ist so überstrapaziert, dass Washington keine Truppen zur Jagd auf die PKK abstellen kann. Erst als die türkische Regierung unter dem Eindruck steigender Verluste der eigenen Armee und der Auswirkungen der Anschläge auf den Tourismus mit eigenem Truppeneinmarsch drohte, zeigten sich die USA offener. Mit eigens ernannten Regierungsgesandten wollen die Türkei, die USA und der Irak ihr Vorgehen gegen die Rebellen nun intensivieren und koordinieren.

Für Ankara ist die PKK aber nicht das einzige Problem im Nordirak. Die Türkei fürchtet die Entstehung eines unabhängigen Kurdenstaates – und kritisiert das Bemühen irakischer Kurden, die Ölstadt Kirkuk unter ihren Einfluss zu bringen: Das schwarze Gold von Kirkuk könnte einen Kurdenstaat wirtschaftlich lebensfähig machen. Schon jetzt geht es vielen Kurden im Irak besser als jenseits der Grenze. Das betrifft Lebensstandard wie Lebensgefühl: In der Türkei fühlen sich viele wie Bürger zweiter Klasse, im Nordirak sind sie stolz auf ihre Autonomie. Zudem stellen sie den Präsidenten des irakischen Gesamtstaates, Dschalal Talabani.

Wenn die Türkei verhindern will, dass der Norden Iraks für türkische Kurden als Auswanderungsziel oder Modell interessant wird, müssen sich die Behörden stärker um die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Probleme Südostanatoliens kümmern. Das Forschungsinstitut Tesev schätzt, dass drei Milliarden Dollar pro Jahr nötig sind, um das verarmte Kurdengebiet auf die Beine zu bringen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false