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Polizisten stehen am 20. Dezember vor dem zerstörten LKW am Breitscheidplatz in Berlin. Der Attentäter Anis Amri ist seit Ende 2015 nahezu wöchentlich Thema bei deutschen Behörden gewesen, wie aus einer vertraulichen Chronologie der Bundesministerien des Innern und der Justiz hervorgeht.

© Michael Kappeler/dpa

Update

Attentat auf Breitscheidplatz: Polizei führte Anis Amri kurz vor der Tat als Terrorist

Dass Amri als Gefährder eingestuft war, wusste man. Aber er wurde in der Polizeidatenbank "Inpol" auch als "Foreign Fighter" geführt. Und es gab Warnungen aus dem Ausland.

Der Islamist und Terrorist vom Breitscheidplatz, Anis Amri, ist den Behörden offenbar seit November 2015 als potenzieller Attentäter bekannt. Das geht aus einer von Innen- und Justizministerium erstellten Chronologie hervor. Darin heißt es, ein V-Mann der Polizei in Nordrhein-Westfalen habe einen „Anis“ vage mit Anschlagsplänen kokettieren hören. Die Chronologie ergibt, dass sich die Behörden nahezu jede Woche mit dem Tunesier Amri befassten.

Wie berichtet, observierten ihn Berliner Beamte zwischen April und September 2016 – und stellten fest, dass Amri als Gewohnheitskrimineller durch die Stadt zog. Entgegen früherer Angaben fand diese Überwachung jedoch nicht durchgehend engmaschig statt. Vielmehr beobachteten die Fahnder den Tunesier nur „anlassbezogen", wie es in der Chronologie heißt.

Auffällig ist, dass er dann ab Oktober in der bundesweiten Polizeidatenbank Inpol als „Foreign Fighter" (ausländischer Kämpfer) – also als Terrorist – erfasst und diese Einschätzung an alle Schengenstaaten gesendet wurde. In jenen Wochen hatte der marokkanische Geheimdienst die Bundesbehörden vor Amri gewarnt. Bisher war nur bekannt, dass er als Gefährder eingestuft wurde. Am 19. Dezember tötete Amri mit einem Lkw zwölf Menschen und verletzte mehr als 50.

Der Vorsitzende Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestags, Clemens Binninger (CDU), hält eine eigene Ermittlergruppe zu Amri inzwischen für angebracht. Und der Vizevorsitzende des Kontrollgremiums, André Hahn (Linke), sagte: „Amri hätte aus dem Verkehr gezogen werden können.“ Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hatte kürzlich bereits Fehler im Umgang der Behörden mit Amri zugegeben. Zu klären sei, ob Amri möglicherweise mit Geheimdiensten zusammengearbeitet habe, erklärte Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele. Ein solcher Verdacht kam auch unter Polizisten auf – vor allem, weil alle gegen Amri anhängigen Verfahren wegen Sozialbetrugs eingestellt worden sind. Zudem hatte sich der Tunesier geprügelt und mit Drogen gedealt.

Giffey will Al-Nur-Moschee in Neukölln schließen lassen

Amri betete in Berlin in salafistischen Moscheen. Neuköllns Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey forderte nun in einem Brief an Innensenator Andreas Geisel (beide SPD), die Schließung der umstrittenen Al-Nur-Moschee voranzutreiben. Das berichtet der Evangelische Pressedienst. Die Innenverwaltung teilte demnach mit, „wir nehmen die Sache sehr ernst, geben zu Vereinsverboten aber generell keinen Kommentar ab“.

Sie sei sich bewusst, erklärte Giffey weiter, dass die Religionsfreiheit in Deutschland ein Grundrecht mit hohem Verfassungsrang sei und die Hürden für ein solches Vereinsverbot hoch seien. Doch wer unter seinem Dach wiederholt zulasse dass offen zu Gewalt und Antisemitismus aufgerufen werde, hat damit auch die Inanspruchnahme dieses Grundrechts verwirkt. Die als besonders gefährlich eingestuften Islamisten trafen sich zuletzt allerdings in einer Moschee in Berlin-Moabit. Dort soll Amri vor seinem Attentat am Breitscheidplatz gebetet haben.

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