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Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU).

© AFP

Auftritte von Regierungsvertretern: Innenminister wollen Politik-Verbote für Ausländer vereinfachen

Ein kaum genutzter Paragraf im Aufenthaltsrecht soll praktikabler und schärfer werden - bisher wird er kaum genutzt.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) soll auf Wunsch der Länder-Innenminister prüfen, ob „gesetzgeberische Reaktionen“ erforderlich sind, um Ausländern in Deutschland politische Aktivitäten zu verbieten. Denn während die Bundesregierung Auftrittsverbote für Regierungsvertreter nach völkerrechtlichen Regeln und politischem Ermessen entscheiden kann, müssen die Bundesländer über die politische Arbeit von Ausländern ohne Staatsamt wachen und können sie über das Aufenthaltsgesetz oder durch polizei- und ordnungsrechtliche Mittel beschränken. Doch ein Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs von 2015 könnte dem entgegenstehen.

Einer der letzten Fälle war der des kurdischen Exilpolitikers Muzaffer Ayata. Die Stuttgarter Behörden untersagten ihm politische Auftritte und Veröffentlichungen, weil er der Bundesrepublik vorwerfe, Kurden als Terroristen und Straffällige zu betrachten. Grundlage dafür war eine Vorschrift des Aufenthaltsgesetzes, mit der die politische Betätigung von Ausländern im Bundesgebiet verboten oder beschränkt werden kann. Ayata bekam die Verfügung aus der baden-württembergischen Landeshauptstadt im Februar 2012. Seitdem hat es nur noch einen weiteren Fall gegeben, im vergangenen Jahr. Wo, darüber schweigt sich das Bundesinnenministerium von Minister Thomas de Maizière (CDU) aus. Weitere Angaben seien nicht möglich, angeblich aus „datenschutzrechtlichen Gründen“.

Die Länder-Innenminister sind mit den ihnen zur Verfügung stehenden Vorschriften und Grundlagen offenbar unzufrieden. Bei ihrer letzten Konferenz Mitte Juni in Dresden verlangten sie von de Maizière, bundesweit zu ermitteln, wo die Probleme bei der Anwendung von Paragraf 47 des Aufenthaltsgesetzes liegen, in dem das Verbot geregelt ist. Der Bund soll auch prüfen, wie die „Weitergabe und Aufbereitung sicherheitsbehördlicher Erkenntnisse“ für die Zwecke von Betätigungsverboten verbessert werden kann.

Beschränkungen durch das Polizei- und Ordnungsrecht sind möglich

Eine Sprecherin de Maizières betont, die seltene Nutzung des Aufenthaltsrechtes habe ihre Ursache darin, dass Probleme regelmäßig mit polizei- und ordnungsrechtlichen Mitteln in den Griff zu bekommen seien. Größte Sorge der Innenminister ist jedoch, dass der Europäische Gerichtshof (EGMR) in Straßburg das Instrument lahmgelegt haben könnte. Der EGMR hatte festgestellt, dass eine Verurteilung des türkischen Nationalisten Dogu Perinçek durch Schweizer Gerichte gegen die Meinungsfreiheit verstößt. Der türkische Politiker und Vorsitzende der „Vaterlandspartei“ hatte bei einer Kundgebung in Lausanne erklärt, der Völkermord an den Armeniern sei eine internationale Lüge. Deshalb sollte er eine Geldstrafe wegen Verstoßes gegen den Antirassimusartikel des Schweizer Strafgesetzbuchs zahlen. Der EGMR gestand dem Politiker aber eine weite Freiheit zu, seine Ansichten auch auf für ihn ausländischem Boden zu vermitteln: Restriktionen der jeweiligen Staaten verwiesen auf ein „überholtes Verständnis des Völkerrechts“.

Hessen stören „sehr hohe Anforderungen an die Begründung, Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit“

Die hessische Landesregierung sieht darin eine „wesentliche Einschränkung“, wie sie in einem Bericht für die Dresdner Konferenz beklagt: „Angesichts dieser Ausgangslage verwundert es nicht, dass eine an sich überschaubare Vorschrift in der Vergangenheit kaum zur Anwendung gelangte.“ Mit dem Urteil des EGMR sei es besonders schwer, Ausländer gemäß Paragraf 47 zu belangen, wenn ihre Tätigkeit „den außenpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland zuwiderlaufen kann“, wie eine Variante der Verbotsvorschrift lautet. Deshalb fordern die Innenminister vom Bund, eine „gesetzgeberische Reaktion“ auf sein Urteil von 2015 zu prüfen: Sie wollen das Instrument des Paragrafen 47 wieder scharf stellen.

Die Beamten de Maizières werden sich bei dem Projekt auch noch einmal den Fall des Kurden-Politikers Ayata genau ansehen müssen. Ihm hatte man ausdrücklich vorgehalten, gegen die „außenpolitischen Interessen“ Deutschlands gehandelt zu haben. Doch der behördliche Vorstoß misslang, das Verwaltungsgericht Stuttgart hob die Verfügung auf. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim bestätigte den Beschluss. Die juristischen Erkenntnisse werden neue Gesetzesvorschläge für Politik-Verbote nicht einfacher machen. Das Gericht stelle „sehr hohe Anforderungen an die Begründung, Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit“ der Einschränkungen, kritisiert der hessische Bericht.

Schon vor dem EGMR-Urteil war der Paragraf nicht oft genutzt worden: Seit seinem Inkrafttreten 1998 gab es auf seiner Grundlage erst 14 Beschränkungen und Verbote.

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