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Politik: „Ausländer – ein Stück von gestern“

Forscher sehen Ende für Wahlkampf wie in Hessen

Ist die Zeit der Ausländer-Wahlkämpfe nach dem Desaster der hessischen CDU vorbei? Politikwissenschaftler sehen jedenfalls eine Tendenz in diese Richtung : „Die Bevölkerung ist in der Einwanderungssituation angekommen“, sagt der Migrationsforscher Klaus J. Bade. „Wenn die Menschen im Alltag mit ihrem türkischen Gemüsehändler ebenso gut klarkommen wie mit dem arabischstämmigen Computerspezialisten, wird es immer schwieriger, das von oben für Wahlkämpfe wieder aufzureißen.“ Schon heute hätten mindestens 20 Prozent der Einwohner Deutschlands Migrationshintergrund, bei Kindern unter sechs Jahren seien es in manchen Ballungszentren sogar über 50 Prozent – da könne man mit dem „Angstgegner Ausländer“ nur noch „ein Theaterstück von gestern“ aufführen. „Außerdem hat der Wähler die Angewohnheit, aus Kampagnen zu lernen. Viele dürften gemerkt haben, dass sie sich früher zu Angstentscheidungen haben provozieren lassen.“

Bades Kollege Dieter Oberndörfer, der sowohl über Migration wie über Wahlen geforscht hat, hält es nicht einmal für ausgemacht, dass Kochs Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft 1999 wahlentscheidend war. Damals habe vielmehr eine alte bundesdeutsche Regel gegriffen: „Wer im Bund regiert, verliert die Landtagswahlen“. Ob die Doppelpass-Kampagne, von vielen als fremdenfeindlich verstanden, zusätzlich Stimmen gebracht habe, das könne „kein Forscher seriös beurteilen“, sagt Oberndörfer. „Aber Koch hat es geglaubt und das hat ihn offenbar zu einer Wiederholung verführt.“ Oberndörfer ist einer der Unterzeichner des Briefs, der in dieser Woche den unionsinternen Streit über den hessischen Wahlkampf befeuert hat. Unionspolitiker aus Bund und Ländern und die christdemokratischen Oberbürgermeister von Stuttgart, Köln und Essen hatten darin gefordert, das fundamentale Thema Integration nicht zum Wahlkampfthema abzuwerten (siehe rechts).

Nach Meinung von Oberndörfer ist es für die Union gefährlich, dass das Thema Migranten massiv polarisiert und etwa Wähler mit türkischen Wurzeln, von denen viele konservativ seien, von der CDU wegtreibt. „Wenn nur die Hälfte dieser Wähler gewählt hat, dann haben zwei Drittel nicht für die CDU gestimmt. Das schlägt angesichts der Beteiligung an Landtagswahlen durchaus zu Buche.“

Auch die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung hatte festgestellt, dass der polarisierende Wahlkampf problematisch war – allerdings weil er Wechselwähler abgeschreckt habe: „Das Thema Jugendgewalt stieß auf große Resonanz, die politischen Lösungsansätze überzeugten weniger“, heißt es in einer Studie zur Hessen-Wahl. Dies habe letztlich zu den Stimmenverlusten von zwölf Prozentpunkten geführt. Andrea Dernbach

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