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Stau in NRW.

© dpa

Bundesverkehrswegeplan: Vertane Chance

Der neue Verkehrswegeplan trägt viel zu wenig zur Lösung von Umweltproblemen bei. Das ist ärgerlich. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Dagmar Dehmer

Im Vergleich zu früheren Bundesverkehrswegeplänen ist der am Mittwoch im Kabinett beschlossene geradezu vernünftig. Bis 2030 sollen 70 Prozent der knapp 270 Milliarden Euro, die dafür vorgesehen sind, in den Erhalt der Infrastruktur fließen. Und beim Neubau von Straßen und Schienen – darauf legt das Umweltministerium großen Wert – sei jetzt Gleichstand erreicht: je 18,3 Milliarden Euro würden für neue Straßen und neue Schienenwege investiert. Der kleine Makel an dieser Rechnung: Ein Schienenkilometer kostet 1,3-mal mehr als ein Straßenkilometer. Mit gleich viel Geld kommt man also nicht gleich weit.

Aber reicht angesichts der Umweltprobleme, die der Verkehr verursacht, ein Vergleich mit dem Vorgängerplan zur Bewertung? Wohl eher nicht. Das Umweltbundesamt kritisiert, dass von zwölf Umweltzielen, die im Bundesverkehrswegeplan genannt sind, elf verfehlt würden. Und vor allem ist es trotz des guten Willens, es diesmal anders zu machen, nicht gelungen, den Bundesverkehrswegeplan als Instrument zum Klimaschutz zu nutzen. Bis 2020 muss der Verkehr den Ausstoß von Kohlendioxid um mindestens 15 Millionen Tonnen verringern, damit Deutschland sein Klimaziel nicht verfehlt. Mit dem Bundesverkehrswegeplan schafft er im besten Fall eine halbe Tonne – bis 2030.

Die Politik fährt oft genug auf kurze Sicht

Zeitgleich wird über den Klimaschutzplan 2050 gestritten. Vor einem Jahr hat die Kanzlerin erfolgreich die wichtigsten Industriestaaten davon überzeugt, auf eine „Dekarbonisierung“ in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts zuzusteuern. Das heißt nichts anderes, als dass Energieversorgung, Mobilität und große Teile der Industrieproduktion und teilweise die Landwirtschaft vom Kohlendioxidausstoß befreit werden müssen. Den Bundesverkehrswegeplan nicht als Bestandteil der Klimakonzeption zu behandeln, ist ein Versagen der gesamten Regierung. Schließlich macht sie – notgedrungen – oft genug Politik auf kurze Sicht. Wer da die langen Linien der Politik für ein langfristig angelegtes Dokument ausblendet, vergibt die Chance, seine Politik zu gestalten. Der kann nur noch reagieren.

Der Verkehr ist nicht nur ein Klimaproblem

Dazu kommt, dass der Verkehr nicht nur ein Klimaproblem ist. An den Luftschadstoffen hat der Auto- und Lastwagenverkehr den größten Anteil. Dazu gehören Ruß, Feinstaub, Stickoxide, die alle kostspielige gesundheitliche Probleme schaffen. Das Umweltbundesamt nennt aber auch den Flächenverbrauch als eines der Ziele, das mit dem Bundesverkehrswegeplan verfehlt wird. Schon 2002 hat sich Deutschland mit der Nachhaltigkeitsstrategie vorgenommen, dass der tägliche Flächenverbrauch bis 2020 auf 30 Hektar sinken soll, derzeit sind es 69. Für den Verkehr würde das heißen: täglich 1,9 Hektar. Der Bundesverkehrswegeplan führt zu 2,9 Hektar Flächenverbrauch für Verkehrswege am Tag.

Von den Abgeordneten ist keine Hilfe zu erwarten

Der Bundesverkehrswegeplan 2030 ist besser als sein Vorgänger. Aber zur Lösung der Umweltprobleme, die der Verkehr verursacht, trägt er viel zu wenig bei. Hilfe von den Abgeordneten ist nicht zu erwarten. Im Bundestag und im Bundesrat dürfte im Gegenteil bald das übliche Wunschkonzert losgehen: hier noch ein Autobahnabschnitt, da noch eine Ortsumgehung. Das sind die Erfolge, die Bundestagsabgeordnete nach Hause bringen müssen, um ihre Wiederwahl zu sichern – erst recht ein Jahr vor der nächsten Wahl. Das ist fatal.

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