zum Hauptinhalt
Peter Tauber, Generalsekretär der CDU.

© Reuters

CDU-Generalsekretär Peter Tauber: "Weiß nicht, ob das wieder ein typischer Gabriel war"

CDU-Generalsekretär Peter Tauber spricht im Interview über das Vorpreschen der SPD bei der Suche nach Kandidaten für das Bundespräsidentenamt, den Streit in der Union und Flüchtlinge.

Von
  • Robert Birnbaum
  • Antje Sirleschtov

Die Union liegt in Umfragen bei 30 Prozent, nach der Mecklenburg-Wahl ging das Wort vom „Merkel-Malus“ um – ist Angela Merkel noch die richtige Kanzlerkandidatin für 2017?
Andere Umfragen sehen uns eher bei 33, 34 Prozent. Aber auch damit gebe ich mich nicht zufrieden. Unser Anspruch ist es, dass nach der Bundestagswahl niemand an der Union vorbei kommt und wir weiter dieses Land gut regieren können. Und ich nehme wahr, dass sich viele Bürger wünschen, dass Angela Merkel Deutschland weiter dient. Fast 70 Prozent sagen, dass sie ihre Arbeit als Kanzlerin gut macht – wenn das die Werte der CDU wären, wäre ich glücklich.

Dann muss sie’s ja weiter machen!
Ob sie antritt verkündet nicht der Generalsekretär, sondern zu gegebener Zeit Angela Merkel selbst.

Ist es umgekehrt überhaupt denkbar, dass die CDU ohne Merkel in die Wahl zieht, weil sie sagt: Danke, mir reicht’s?
Dazu fällt mir der deutsche Dichter Friedrich Rückert ein: „Füge dich der Zeit, erfülle deinen Platz – und räum’ ihn auch getrost, es fehlt nicht an Ersatz.“ Es gibt immer eine Alternative. Aber sie ist nicht immer die bessere. Und in diesem Fall wäre keine wünschenswert.

Um die „gegebene Zeit“ einzukreisen: Anfang Dezember wählt die CDU beim Parteitag eine/n neue/n Vorsitzende/n. Könnte Frau Merkel da antreten, ohne vorher ihre Kandidatur zu erklären?
Angela Merkel hat selber gesagt, dass sie zwischen beiden Ämtern eine enge Verbindung sieht, zumal im Wahljahr. Aber bis zum Parteitag gibt es ja noch viele Möglichkeiten, Neuigkeiten zu verkünden. Und es gibt auch noch viel zu tun: Wir haben eine Vorstandsklausur der CDU, wir haben die gemeinsamen Deutschlandkongresse von CDU und CSU und danach ein Treffen beider Unionsparteien. Für mich ist wichtig, dass wir bis zum Jahreswechsel die Botschaft aussenden können: CDU und CSU sind eine Union und kämpfen gemeinsam dafür, dass nicht Rot-Rot-Grün dieses Land regiert. Daran arbeiten wir.

Bei „Union“ fällt uns „gemeinsam“ nach wie vor nicht so recht ein – vom Motto „Getrennt marschieren, gemeinsam schlagen“ ist eher so ein „gemeinsam Aufeinanderschlagen“ geblieben...
Da muss ich widersprechen: Die CDU hat nicht geschlagen! Außerdem haben CDU und CSU von den Asylpaketen bis zum Integrationsgesetz sehr, sehr vieles gemeinsam auf den Weg gebracht.

Sachlich ist das ja richtig. Wahrgenommen haben die Bürger vor allem, dass sich Angela Merkel und Horst Seehofer ein ganzes Jahr lang frontal gegenüberstanden. Wie soll denn diese tief persönliche Krise glaubwürdig bereinigt werden?
Natürlich spielt in der Politik auch Persönliches eine Rolle. Aber am Ende des Tages kann man von Politikern erwarten, dass sie professionell zusammenarbeiten. Sonst würde ja keine einzige Koalition funktionieren. Man muss auch nach einem Streit eine Ebene finden, auf der man sagen kann: Im Interesse des Ganzen und des Landes arbeiten wir wieder vertrauensvoll zusammen und stellen Verletzungen oder Verhärtungen hintan. Und dass das geht, zeigen doch die Einigungen bei der Erbschaftsteuer oder bei den Bund-Länder-Finanzen.

Wäre es hilfreich, wenn nach Angela Merkels Eingeständnis von Fehlern auch der CSU-Chef mal einen Satz sagen würde wie „Das mit der ‚Herrschaft des Unrechts' war falsch von mir“?
Ich maße mir nicht an, der Stichwortgeber des CSU-Vorsitzenden zu sein. Was wir als Union ändern müssen ist der Eindruck, dass wir uns gegenseitig den guten Willen absprechen. Die CDU hat auf dem Parteitag vor einem Jahr ein umfangreiches Programm beschlossen, um die Zahl der Flüchtlinge deutlich zu reduzieren. Mir fallen nicht viele Parteitagsbeschlüsse ein, die danach so konkret umgesetzt worden sind. Wir dürfen als CDU und CSU über Wege und Maßnahmen streiten, aber wir sollten uns nicht das gemeinsame Ziel absprechen.

Wie soll ein gemeinsamer Wahlkampf aussehen?

Irgendwie fehlt uns immer noch die Fantasie, wie so ein gemeinsamer Wahlkampf aussehen soll.
Ich bin überzeugt, dass es in diesem Wahlkampf sehr stark darum gehen wird, wie wir uns unser Land in Zukunft vorstellen. Angela Merkel hat das mit ihrem Satz „Deutschland wird Deutschland bleiben“ sehr gut umschrieben: Wir sind ein starkes Land, wir sind eine selbstbewusste Nation und wissen, was wir an Deutschland schätzen – diese Stärke, aber auch die Offenheit. Wir können gerne darüber streiten, ob wir glauben, dass wir uns als großes Exportland auf uns selber zurückziehen können, wie das die AfD suggeriert, weg von Europa und weg vom Rest der Welt. Ich glaube das aber nicht.

Bedeutet Offenheit, dass wir Menschen wie den verhinderten Terroristen Albakr in Kauf nehmen müssen?
Eine solche Gefahr gibt es, und sie lässt sich in einer freien Gesellschaft nie völlig ausschließen. Aber wir müssen das uns Mögliche tun, um Gefahren zu verringern. Wie mehrere verhinderte Anschläge zeigen, haben wir bereits sehr viel getan. Es gibt darüber hinaus noch ein paar Baustellen, wenn ich etwa an den Informationsaustausch zwischen den Diensten denke. Aber ich möchte weiter in einer freien, offenen Gesellschaft leben, die sich der schwierigen Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit stellt.

Wenn wir die letzten Wahlen und die Umfragen richtig deuten, dann finden gerade im Kreis der CDU-Anhängerschaft viele die Sicherheit wichtiger. Die sagen: Wir wollen hier nicht immer neue Leute im Land, wir schaffen das gut alleine.
Ich bin Generalsekretär der Partei mit dem C, ich nehme das Grundgesetz ernst und die Beschlüsse unseres Parteitags. Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, müssen Zuflucht finden. Aber an einem Punkt ist im letzten Jahr tatsächlich ein falsches Bild entstanden: Diese Menschen sollen nicht auf Dauer in Deutschland leben. Wenn der Asylgrund nicht mehr besteht, weil beispielsweise der Krieg vorbei ist, müssen sie in ihre Heimat zurück. Etwas völlig anderes sind Menschen, die wir in unserem eigenen Interesse als Arbeitskräfte hierher holen. Diese Unterscheidung ist wichtig, wenn wir die Akzeptanz für Einwanderung erhalten wollen. Da gibt es auch zwischen CDU und CSU keinen Unterschied: Wir reden von einem Einwanderungsgesetz, die CSU von einem Zuwanderungsbegrenzungsgesetz. Aber dass wir angesichts der demographischen Entwicklung Bedarf haben an Menschen, die zu uns passen, das ist unstrittig.

Wer passt zu uns?
Menschen, die fleißig sind, die wissen, in welches Land sie kommen, und die unsere Werte und Überzeugungen teilen.

Egal welcher Religion?
Unabhängig von ihrer Religion oder Hautfarbe.

Wie viele sollen kommen?
Das kann man nicht pauschal festlegen, sondern muss es vom Bedarf am Arbeitsmarkt abhängig machen. Der kann von Jahr zu Jahr schwanken.

Wir kriegen flexible Obergrenzen?
Ich weiß, dieses Wort interessiert Sie…

… nicht uns. Die CSU.
Ich weiß nicht, ob man das so nennen muss. Es macht ja keinen Sinn, ein für allemal eine Zahl festzuschreiben. Unser Bedarf hängt auch davon ab, wie Digitalisierung und Automatisierung voranschreiten.

Haben Sie wenigstens Verständnis für das Anliegen der CSU hinter dem Wort „Obergrenze“ – nämlich den Bürgern eine Garantie zu geben, dass sich so etwas wie im letzten Jahr nicht wiederholt?
Damit, dass wir ein Wort beschließen, wäre doch nichts gewonnen. Tatsache ist, dass wir als CDU genauso wollen, dass sich das letzte Jahr nicht wiederholt, und dass wir dieses Ziel für dieses Jahr erreicht haben. Bis jetzt ist der Weg erfolgreich, und für die Zukunft müssen wir daran arbeiten, dass er es bleibt. Alles andere finde ich eine ziemlich abstrakte Debatte fern der eigentlichen Fragen, vor denen wir jetzt stehen.

Eigentliche Fragen?
Ja, die Fragen der Integration, der Sprachkurse, der Eingliederung in den Arbeitsmarkt – ganz praktische Fragen vor Ort. Nehmen Sie das Thema Abschiebung. Wir haben jetzt ein Abkommen mit Afghanistan. Viele Flüchtlinge, die aus Afghanistan kommen, werden in ihre Heimat zurückgehen müssen, weil es dort auch sichere Regionen gibt. Ich kenne aber etliche Bürgermeister, die sagen: „Also, unsere Afghanen sind hier bereits so gut integriert…“ Übrigens die gleichen Bürgermeister, die vor einem Jahr noch schnellere Abschiebungen gefordert haben. Wir werden da noch spannende Debatten erleben. Aber wichtig ist: Dass Integration früher oft gescheitert ist, liegt daran, dass wir uns darum nicht richtig gekümmert haben. Wir wissen jetzt besser, was zu tun ist, und wir tun es.

Glauben Sie, dass Optimismus reicht, um Wähler von der AfD zurückzuholen?
Natürlich hätte ich gerne Wähler, die früher CDU gewählt haben, wieder bei uns zurück, und zwar egal was sie heute wählen. Man muss sich aber die AfD genau anschauen. Von deren Wählern kommt nur ein Teil von der Union, der Rest hat vorher andere Parteien gewählt. Selbst wenn wir alle unsere ehemaligen Wähler zurück gewinnen könnten, säße die AfD weiter in den Parlamenten. Ich sehe eine Chance, Menschen zurückzuholen, denen es um Sicherheit geht. Sicherheit im Inneren und wirtschaftliche Sicherheit sind Kernkompetenzen der Union. Aber nicht jeder kann zurückgewonnen werden. Leute, die „Volksverräter“ brüllen, lieber die Russen als die Amerikaner zum Partner haben oder das vereinte Europa bekämpfen, die passen nicht zur CDU Deutschlands. Und ich werde ihnen zuliebe nicht meine Haltung verändern.

Sie haben das Ziel ausgegeben, dass gegen die Union nicht regiert werden kann. Kann die CDU sich denn eine Dreier-Koalition vorstellen?
Die haben wir ja schon… Im Ernst: Ich hätte es gerne, dass am Wahlabend, wenn ich auf die Tanzfläche schaue, nicht nur Sigmar Gabriel da steht, sondern auch noch andere. Und dass wir dann schauen können, mit wem wir am meisten CDU-Politik umsetzen können.

Womit wir bei der Drei- bis Vier-Parteien-Koalition wären?
Ich wäre da nicht so sicher. In meinem Heimatland Hessen hat die Regierung aus CDU und Grünen eine sehr stabile Mehrheit in den Umfragen.

Apropos Gabriel: Finden Sie es hilfreich, wenn während der schwierigen Suche nach einem gemeinsamen Bundespräsidentenkandidaten Namen wie der von Margot Käßmann lanciert werden?
Ich weiß nicht, ob das einfach wieder ein typischer Gabriel war, also erstmal laut denken. Ich finde nur, dass es den Volksparteien in diesen bewegten Zeiten gut anstünde, wenn sie sich gemeinsam auf eine respektable Persönlichkeit für das höchste Staatsamt verständigten.

Sie haben vor kurzem eine Debatte über Sexismus in der CDU angemahnt - wie wollen Sie diese Debatte führen? Wäre der Parteitag der geeignete Ort für eine erste grundsätzliche Aussprache?
Das ist ein gesellschaftliches Thema, und kein CDU-spezifisches. Generell bin ich überzeugt: Wenn es solche Vorfälle gibt, dann ist es am besten, wenn man direkt miteinander spricht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false