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zwei Männer halten Händchen

© AFP

China: Homosexuelle kämpfen mit hartnäckigen Vorurteilen

Es war ein Schock für die gesamte Familie, als ihr die Chinesin Guo Yujie eröffnete, dass sie lesbisch ist. Am wenigsten aber konnte ihr jüngerer Bruder damit umgehen.

Es war ein Schock für die gesamte Familie, als ihr die Chinesin Guo Yujie eröffnete, dass sie lesbisch ist. Am wenigsten aber konnte ihr jüngerer Bruder damit umgehen. Er war von der sexuellen Orientierung seiner Schwester vollkommen überrascht und fragte: „Bist du sicher? Ich dachte, das gibt es nur im Westen.“ Guo Yujies Schritt, ihre sexuelle Orientierung öffentlich zum machen, ist in China ein besonders mutiger. Ein Großteil der chinesischen Gesellschaft, und oft auch der eigenen Familie, begegnet homosexuellen Menschen mit großer Unwissenheit und hartnäckigen Vorurteilen. Das spiegelte sich lange Zeit auch in den chinesischen Gesetzen wieder. Bis 1997 galten schwule Beziehungen als Verbrechen, erst  2001 wurde Homosexualität in China von der Liste der Geisteskrankheiten  genommen. Auch hat der große kulturelle Druck im Reich der Mitte, die  Familientradition fortzuschreiben, dazu geführt, dass in China das Phänomen der Scheinehen besonders ausgeprägt ist.

Im Februar 2012 löste die Aussage eines Professors  Aufregung aus, der die Zahl der homosexuellen chinesischen Männer in Scheinehen auf 16 Millionen schätzte. 90 Prozent aller Schwulen, sagte Professor Zhang Bei-chuan von der Qingdao-Universität der Zeitung „China Daily“, würden aufgrund des gesellschaftlichen Drucks eine Frau heiraten. Ihm liegen auch die unwissenden Ehefrauen am Herzen, die später von der  sexuellen Orientierung ihrer Männer überrascht sind. „Diese Frauen haben es schwer, sich daran zu gewöhnen, ihr Leid sollte Gehör finden“, sagt Zhang Bei-chuan. Nicht selten kommt es allerdings auch zu einer ganz neuen Form von Ehe, wenn ein schwules Pärchen ein lesbisches Pärchen heiratet. Um den gesellschaftlichen Erwartungen zu entsprechen.

Die Ein-Kind-Politik verstärkt den sozialen Druck noch. Die Beziehung zweier homosexueller Menschen aus Ein-Kind-Familien beendet gleich zwei Familienlinien – glauben  viele chinesische Eltern. Doch auch ohne Ein-Kind-Politik sind die Vorurteile groß, wie eine Studie in Hongkong ergab, in der 106 Elternpaare der chinesischen Sonderverwaltungszone befragt wurden. Die „South China Morning Post“ berichtet, dass 90 Prozent ihre Kinder nicht mehr unterstützen würden, wenn sie wüssten, dass sie homosexuell wären. 80 Prozent der befragten Eltern sagten, dass die Nachricht ihnen schlaflose Nächte bescheren würde. Und 70 Prozent würde die Schuld dafür in ihrer Ehe oder der Erziehung suchen.

Angesichts solcher Vorurteile ist klar, dass die Erfolge für Chinas wachsende Bewegung für die Rechte Homosexueller nur langsam voranschreiten. 2009 fand erstmals ein einwöchiges LGBT-Festival in Schanghai statt. Dort und in weiteren chinesischen Großstädten wie Peking, Guangzhou oder Chongqing gibt es bereits eine sehr lebendige Lesben- und Schwulenszene, die allerdings immer wieder auch Opfer polizeilicher Razzien ist. Die chinesische Regierung besitzt ein ambivalentes Verhältnis zu Homosexuellen-Rechten. Bei der Verabschiedung der Resolution des UN-Menschenrechtsrates gegen die Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung hat sich China immerhin enthalten, zuvor hatte es ähnliche Resolutionen immer abgelehnt. Von einer Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen ist China allerdings noch weit entfernt.

Das zeigte sich nicht nur im Februar, als die Chinesin Ma Yuyu und ihre Partnerin Elsie Liao in einem Pekinger Standesamt versuchten, eine Ehe registrieren zu lassen. Es überraschte niemanden, dass es ihnen nicht gelungen ist. „Wir wussten, dass wir scheitern würden, aber wir wollten es trotzdem machen“, sagte Ma Yuyu dem Magazin „Time“. Ihr Anliegen machte immerhin landesweite Schlagzeilen. Auch die jährlichen Versuche der Soziologin Li Yinhe, seit 2003 bei der politisch weitgehend machtlosen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes einen Antrag für gleichgeschlechtliche Ehen einzureichen, werden regelmäßig abgelehnt.

Wie wenig gleichgeschlechtliche Ehen in China akzeptiert sind, zeigt auch das Beispiel des Hongkonger Milliardärs und Playboys Cecil Chao, das im vergangenen Jahr Schlagzeilen machte. Nachdem dessen Tochter Gigi heimlich in Europa ihre Lebenspartnerin geheiratet hatte, bot er demjenigen Mann rund 50 Millionen Euro, der seine Tochter heiraten würde. Es dürfte kaum überraschen, dass er sein Geld bis heute nicht losgeworden ist.

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