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Die Vorsitzende der Grünen-Fraktion im EU-Parlament, Rebecca Harms.

© dpa

Debatte über Nato-Beitritt der Ukraine: "Putin rennt offene Türen ein"

Wladimir Putin verlangt, dass die Ukraine kein Nato-Mitglied werden darf. Laut Rebecca Harms ist das eine Phantomdiskussion - die Debatte werde nur von einer kleinen Minderheit der Staaten im Verteidigungsbündnis geführt, sagt die Fraktionschefin der Grünen im EU-Parlament im Interview.

Frau Harms, Sie haben sich bis zum Sonntag mit einer Grünen-Delegation in Kiew aufgehalten. Glaubt die Bevölkerung dort daran, dass es tatsächlich im Osten des Landes ab Dienstag einen Waffenstillstand geben wird, wie er vergangene Woche zwischen der Regierung und den Separatisten vereinbart wurde?'
Natürlich wollen alle Frieden. Aber gleichzeitig herrscht ein großes Misstrauen, denn es gibt ja eigentlich schon eine Waffenruhe – die nicht eingehalten wird.

Haben die Menschen in Kiew den Osten des Landes schon aufgegeben?
Ich empfehle immer wieder, sich den Friedensplan anzuschauen, den der ukrainische Präsident Petro Poroschenko im vergangenen Juni vorgestellt hat. Zu diesem Plan gehörte das Angebot an das Konfliktgebiet Donbass, eine größere Autonomie zu erlangen. Doch das Angebot war offenbar weder für die so genannten Separatisten noch für ihre Unterstützer in Russland gut genug. Aber in Kiew gilt weiterhin die Maxime, dass dieser Friedensplan verwirklicht werden soll.

Allerdings sind seit Juni neue Fakten geschaffen worden: Die Rebellen haben in den selbstproklamierten „Volksrepubliken“ Wahlen abgehalten, zudem hat sich die Fluchtwelle aus der Region weiter verstärkt.
Nach inoffiziellen Angaben gibt es innerhalb der Ukraine etwa eine Million Flüchtlinge. Die Region hat sich bereits sehr stark verändert – nicht nur durch den Krieg, sondern auch durch die Abwanderung. Im Prinzip gilt aber in Kiew immer noch die Überlegung, dass der Osten des Landes größere Rechte erhalten soll. Aber in Kiew ist vielen Menschen unklar, welche Interessen bei den unterschiedlichen Akteuren auf der anderen Seite vorherrschen: Worin besteht das Ziel von Moskau? Und welche Ziele verfolgen die Warlords im Osten des Landes, die sich dort zum Teil ganz gut etabliert haben?

Eines der Ziele des russischen Präsidenten Wladimir Putin besteht offenkundig darin, einen Nato-Beitritt der Ukraine zu verhindern.
Mit der Forderung, dass die Ukraine nicht Nato-Mitglied werden dürfe, rennt Putin offene Türen ein. In der Nato gibt es überhaupt keine ernsthafte Initiative, die Ukraine in das Verteidigungsbündnis einzubeziehen. Auch Waffenlieferungen an Kiew in diesem Kampf, welcher der Ukraine aufgezwungen worden ist, stehen unter den Nato-Partnern nicht zur Debatte. Wenn Putin fordert, ein Nato-Beitritt der Ukraine müsse ausgeschlossen werden, trägt er zur Legendenbildung bei. In der Ukraine selbst gibt es zwar Politiker, die sich für einen Nato-Beitritt einsetzen. Aber in der Bevölkerung gibt es dafür keine breite Unterstützung – im Gegenteil. Richtig ist allerdings auch, dass in der jetzigen Situation immer mehr Ukrainer sagen: Wenn wir in der Nato gewesen wären, wäre die Entwicklung eine andere gewesen.

Die ukrainischen Politiker, die sich für einen Nato-Beitritt aussprechen, dürften die Äußerungen des Nato-Generalsekretärs Jens Stoltenberg als Ermutigung empfinden – Stoltenberg hatte erklärt, es sei der ukrainischen Regierung selbst überlassen, ob sie sich für eine Mitgliedschaft in dem Militärbündnis bewerben wolle.
Mein Stand ist, dass eine Nato-Mitgliedschaft nur von einer Minderheit im Bündnis – den Polen und den Balten – überhaupt diskutiert wird. Es ist richtig gewesen, dass die Europäer und die USA von Anfang an eine militärische Eskalation des Konflikts ausgeschlossen haben. Wir setzen auf andere Mittel. Diese Linie sollte auch weiterhin Bestand haben. Man darf jetzt nicht mit der Idee einer Nato-Mitgliedschaft spielen.

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