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Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) legt sich beim Thema Obergrenze für Flüchtlinge fest: 200.000 pro Jahr seien das Maximum.

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Update

Debatte um Flüchtlinge: CSU beharrt auf Obergrenze

CSU-Chef Horst Seehofer legt sich in der Debatte um eine Obergrenze für Flüchtlinge fest. Sein Innenminister verteidigt ihn.

CSU-Chef Horst Seehofer heizt die Debatte um eine deutsche Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen wieder an. Am Wochenende nannte er eine konkrete Zahl: 200.000 Flüchtlinge pro Jahr. „Diese Zahl ist verkraftbar, und da funktioniert auch die Integration“, sagte der bayerische Ministerpräsident der „Bild am Sonntag“: „Alles was darüber hinaus geht, halte ich für zu viel.“

Der bayerische Innenminister verteidigte Seehofers Vorstoß. Die von Seehofer in die Debatte gebrachte Obergrenze sei unverzichtbar: Es könne "doch nicht völlig offen sein", wie viele Flüchtlinge pro Jahr ankämen, sagte Joachim Herrmann (CSU) am Montag im ZDF-"Morgenmagazin". Wohnungen, Arbeitsplätze und Schulen in Deutschland seien "nicht beliebig vermehrbar". Auch ohne Grundgesetzänderung sei die Festlegung einer Obergrenze für Flüchtlinge möglich. "Klar ist, am Grundgesetz wollen wir überhaupt nichts ändern", sagte der Minister.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnt die Forderung von Seehofer klar ab. „Dieses ist nicht die Position der Bundeskanzlerin. Eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen lässt sich nach unserer Überzeugung nicht im nationalen Alleingang erreichen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Die Flüchtlingskrise sei ein europäisches Problem. Sie könne und müsse europäisch gelöst werden. SPD-Generalsekretärin Katarina Barley kritisierte die Äußerungen Seehofers, der damit erneut seine Distanz zu Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Flüchtlingspolitik betonte. „Der Friede in der Union hat nur kurze Zeit gehalten“, sagte Barley am Sonntag in Berlin. Der Streit zwischen Merkel und Seehofer verunsichere die Menschen.

Özoguz: CSU-Forderung "unseriös und gefährlich"

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Aydan Özoguz (SPD), hält die Forderung Seehofers nach einer Obergrenze mit 200.000 Flüchtlingen im Jahr für „unseriös und gefährlich“. Die einfache Lösung, die Seehofer damit vortäusche, „gibt es nicht“, sagte Özoguz dem Tagesspiegel. Eine solche Forderung sei „auch billig“, weil Seehofer gleichzeitig die Antwort schuldig bleibe, wie seine Obergrenze tatsächlich umgesetzt werden solle. Deutschland könne nicht europäische Richtlinien und die Genfer Flüchtlingskonvention ignorieren. „Dem CSU-Chef geht es nicht um verantwortungsvolle Politik, sondern um maximale Effekthascherei vor der Klausur der CSU-Landesgruppe“, sagte die Staatsministerin. „Den Schaden haben wir alle.“ Er wecke „falsche Erwartungen und macht die Arbeit derer noch schwerer, die sich verantwortungsvoll der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen stellen.“

Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland rund eine Million Flüchtlinge registriert. Seehofer sagte: „Das zentrale Ziel für 2016 muss lauten, die Zahl der Zuwanderer zu begrenzen“. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) forderte im Münchner Nachrichtenmagazin „Focus“, die Anreize für Flüchtlinge zu reduzieren, den Weg nach Deutschland zu suchen. „Wer das deutsche Asylrecht missbraucht und die Einwanderung in das deutsche Sozialsystem für attraktiver hält, als in seinem Heimatland einer Arbeit nachzugehen, der muss die Botschaft kennen, dass er nicht in Deutschland bleiben kann“, sagte Dobrindt.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann mahnte in der „Welt am Sonntag“, Flüchtlings- und Einwanderungspolitik voneinander zu trennen. Kein Land in Europa sei so dringend auf qualifizierte Einwanderer angewiesen wie Deutschland. In der Flüchtlingspolitik gehe es darum, Grenzen effektiv zu kontrollieren, aber nicht zu schließen. Zugleich räumte er ein, dass Deutschland nicht jedes Jahr eine Million Flüchtlinge aufnehmen könne. „Es geht ja darum, die Flüchtlinge nicht nur notdürftig unterzubringen und zu versorgen“, sagte Oppermann. Wer ein Bleiberecht hat, müsse integriert werden. Seehofer sprach sich unter anderem für restriktive Kontrollen an den Grenzen aus. „Wer nach Deutschland einreisen will, muss sich ausweisen können“, sagte er.

"Wer einreisen will, muss sich ausweisen können"

Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner kritisierte die Forderung. Die meisten Flüchtlinge ohne Papiere kämen aus Diktaturen, wo sie gar keine Pässe bekämen oder wo man sie ihnen abgenommen habe, sagte Stegner am Sonntag dem Radiosender NDR Info: „Es wäre geradezu ein Treppenwitz, wenn Deutschland mit diesen Diktatoren zusammenarbeiten würde.“

Auch der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Rudolf Seiters, mahnte, nicht jene unter Generalverdacht zu stellen, die keine Ausweispapiere haben. „Ich denke mal, die Einzelfallprüfung ist immer noch wichtig“, sagte der ehemalige CDU-Politiker Seiters, der Anfang der 90er Jahre Bundesinnenminister war, dem Deutschlandfunk.

Unterdessen unterstrich die CDU-Bundesvize Julia Klöckner ihr Forderung, die Neuankömmlinge in Deutschland zu Integration anzuhalten. „Schon in der Erstaufnahme sollten wir jedem Flüchtling unsere Hausordnung aufs Kopfkissen legen“, sagte die rheinland-pfälzische CDU-Vorsitzende: „Es muss von Anfang an klar sein, dass wir bestimmte Dinge nicht durchgehen lassen. Wenn ein Vater nicht mit einer Lehrerin spricht, weil sie eine Frau ist, sollten wir nicht den Weg des geringsten Widerstands gehen und einen männlichen Lehrerkollegen schicken.“

Weiter Flüchtlinge auf dem Weg

Trotz des Wintereinbruchs sind weiter Tausende Flüchtlinge in Richtung Deutschland unterwegs. In Serbien und Kroatien liegen bis zu 20 Zentimeter Schnee. Dennoch wurden in Kroatien nach Angaben des dortigen Innenministeriums allein in den ersten Stunden des Sonntags rund 2800 Migranten gezählt.

Aus der Türkei kämen täglich mehr als 4000 Flüchtlinge auf die vorgelagerten griechischen Inseln, sagte der für Migration zuständige griechische Vizeminister Ioannis Mouzalas der Zeitung „Eleftheros Typos“. Die Behörden registrierten neben Kriegsflüchtlingen aus Syrien nun immer mehr Migranten aus Nordafrika.

Die Überfahrt aus der Türkei nach Griechenland wird wegen starker Winde immer gefährlicher. Ein zweijähriger Junge aus Syrien kam am Samstag bei einem Bootsunglück ums Leben. Es sei der erste Flüchtling, der im neuen Jahr in der Ägäis gestorben sei, teilte die griechische Küstenwache mit. Ein anderes Flüchtlingsboot kenterte vor der griechischen Insel Chios. Die 56 Insassen konnten aus den eisigen Fluten gerettet werden, wie der Staatsrundfunk am Sonntag meldete. Auch auf einer kleinen Insel vor der Türkei strandeten Flüchtlinge.

Die Türkei hatte der Europäischen Union zugesichert, die Seegrenzen besser zu schützen. Dennoch setzen fast täglich Flüchtlinge von der türkischen Küste nach Griechenland über. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR kamen im vergangenen Jahr insgesamt 851 319 Menschen über die Ägäis nach Europa. Mehr als ein Viertel davon seien Kinder gewesen. (mit epd, dpa)

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