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Politik: Der neue Kalte Krieg

Streit zwischen der Türkei und dem Irak.

Istanbul - Zwischen der Türkei und dem Nachbarn Irak wachsen die Spannungen. Die Ministerpräsidenten beider Länder beschimpfen sich gegenseitig, Diplomaten müssen sich Proteste der jeweils anderen Seite anhören. Iraks Vizepräsident Tarik al Hashemi, der von diesem Donnerstag an als Angeklagter vor Gericht in Bagdad erscheinen soll, ist seit Wochen in der Türkei zu Gast, wo der rote Teppich für ihn ausgerollt wird: Hashemi parliert mit Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und Außenminister Ahmet Davutoglu und wird von türkischen Leibwächtern beschützt. Die Türkei wird Hashemi nicht an die Iraker ausliefern – der Streit zwischen den beiden Nachbarn könnte daher weiter eskalieren.

Die Krise sei nur schwer beizulegen, weil sie Teil eines neuen Kalten Krieges im Nahen Osten bilde, sagen Beobachter: Immer unversöhnlicher stehen sich das Lager der vom Iran angeführten Schiiten – mit Rückendeckung durch Russland – und die Gruppe der von Türkei und Golfstaaten dominierten Sunniten gegenüber, die von den USA unterstützt werden. Die Rivalität spielt sich nicht nur im Irak ab, sondern auch in Syrien. Für die Region könnte die Konfrontation auf einen „kollektiven Selbstmord“ hinauslaufen, warnt Davutoglu.

Traditionelle Gegensätze zwischen schiitischen und sunnitischen Muslimen schimmern in dem Streit immer wieder durch. Der schiitische Ministerpräsident Nouri al Maliki reißt nach Ansicht seiner Kritiker immer mehr Macht an sich und grenzt sunnitische Muslime sowie die Kurden im Irak aus. Zugleich lehnt sich Maliki immer stärker an die schiitische Großmacht Iran an. Das macht die sunnitischen Mächte in der Region nervös. Die sunnitischen Golfstaaten befürchten eine Ausweitung des iranischen Einflusses, und auch die – mehrheitlich sunnitische, wenn auch säkulare – Türkei betrachtet die Entwicklung mit Sorge. Erdogan warf Maliki egozentrisches Verhalten vor. Im Gegenzug schimpfte Maliki, die Türkei entwickele sich zu einem „feindlichen Staat“. Die Außenministerien in Ankara und Bagdad bestellten die Gesandten des jeweils anderen Landes ein.

Celalettin Yavuz, Vizedirektor der Ankaraner Denkfabrik Türksam, beobachtet eine „wachsende Polarisierung“ in der ganzen Region. Auf der einen Seite schäle sich immer deutlicher ein schiitisches Lager mit Iran, Irak und Syrien mit Russland im Hintergrund heraus. Als Gegner formiere sich das Lager der Sunniten mit Türkei und Golf-Arabern, das von Washington und Israel unterstützt werde. „Die Fronten klären sich, genau wie im Kalten Krieg“, sagte Yavuz dem Tagesspiegel. Thomas Seibert

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