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Arzneimittelpreise: Rösler will Pharmaindustrie mitreden lassen

Gesundheitsminister Rösler will die Arzneimittelpreise in den Griff bekommen, wie er den Krankenkassen sagt. Konkrete Pläne hat er offenbar noch nicht - und sucht das Gespräch mit der Pharmalobby.

Berlin - Es war kein offizielles Treffen, aber eines mit Signalcharakter. Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP), der sich unter Hinweis auf den nötigen strukturellen Umbau des Systems immer gegen bloße Kostendämpfungspolitik verwahrt hat, empfing die Chefs der Krankenkassen-Verbände, um sich deren Sparvorschläge anzuhören. In dem knapp zweistündigen Gespräch ging es jedoch nicht um Ärztehonorare oder Klinikbudgets, sondern einzig um den Sektor, den die Versicherer als Hauptkostentreiber ausgemacht haben: den Arzneimittelmarkt.

„Offen und konstruktiv“ sei das Treffen gewesen, freuten sich die Kassenvertreter hernach. Dafür kam nichts raus, es gab weder inhaltliche Zusagen noch einen Zeitplan für mögliche Vorstöße. Irgendwann und irgendwie werde das Ministerium, so versprach Rösler lediglich, ein „abgestimmtes Konzept vorlegen, um die Arzneipreise dauerhaft in den Griff zu bekommen“. Will heißen: Wir nehmen uns Zeit, und die Pharmaindustrie darf auch mitreden. Rösler will sich mit ihren Vertretern noch im Februar einzeln treffen.

Die Opposition mutmaßt ohnehin, dass die ministerielle Gesprächsbereitschaft nur zwei Dingen geschuldet ist: dem Ärger der Versicherten über die angekündigten Zusatzbeiträge und der bevorstehenden Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Röslers Bemühungen seien purer Aktionismus. Die Sparmöglichkeiten – mehr Wettbewerb, verringerte Gewinnspannen für Apotheker und mehr Kassenrabatte bei Arzneiherstellern – seien ebenso bekannt wie die Vorschläge der Lobbyisten, sagte SPD-Experte Karl Lauterbach.

Freilich haben auch die Kassen Interesse an einer öffentlichen Spardebatte. Sie wollen den Schwarzen Peter in Sachen Zusatzbeiträge loswerden. Schon durch kurzfristige Manöver, so verdeutlichten sie am Mittwoch, ließen sich fast fünf Milliarden Euro sparen. Das erwartete und für die Zusatzbeiträge ursächliche Kassendefizit liegt bei nur vier Milliarden.

Die größte Entlastung mit 3,25 Milliarden Euro brächte, so bekam Rösler zu hören, eine verringerte Mehrwertsteuer auf Medikamente. Diese Forderung hat den Charme, dass sie alle im Gesundheitssektor eint – von den Kassen über die Sozialverbände bis zur Pharmaindustrie, und von der Linkspartei bis zur FDP. Keinem erschließt sich die Logik, nach der Hundefutter mit sieben, lebenswichtige Arznei jedoch mit 19 Prozent versteuert werden muss. Der Nachteil ist, dass eine Änderung unrealistisch ist. In der aktuellen Haushaltssituation, sagte der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn dem Tagesspiegel, sei das nicht zu realisieren. Gewuppt bekomme man es allenfalls mittelfristig und in einem Gesamtkonzept.

Doch Röslers Gesprächspartner hatten noch weitere Vorschläge. Der Minister solle die Hersteller zu einem höheren Abgaberabatt verdonnern, forderten sie. Vorstellbar wären zwölf statt der bisherigen sechs Prozent, das brächte 660 Millionen. Allerdings müsse man dann verhindern, dass die Industrie ihre Einbußen mit höheren Preisen kompensiert. Auch beim Arzneigroßhandel gibt es aus Kassensicht einiges zu holen. Dessen Marge lasse sich um 40 Prozent senken – macht nochmal eine halbe Milliarde. Und 330 Millionen könne man sparen, wenn der Abschlag von 2,30 Euro, den die Apotheken derzeit pro Verordnung hinnehmen müssen, nicht, wie anvisiert, auf 1,75 Euro sinkt.

Hauptthema im Ministerium war allerdings die Preispolitik der Hersteller bei neuen Medikamenten. Bisher, so klagen die Kassen, müsse man für die Dauer des Patentschutzes „jeden Mondpreis bezahlen“. Ihr Vorschlag: Der Gemeinsame Bundesausschuss soll prüfen, ob das jeweils neue Mittel tatsächlich eine Innovation darstellt – nur dann soll der Herstellerpreis erstattet werden. Handle es sich nur um eine Modifikation, müsse sich der Preis an den Alternativen orientieren.

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) schlug dagegen Einzelverhandlungen mit den Kassen vor. Wenn 30 Prozent der Arznei derart ausgehandelt sei, könne der vereinbarte Betrag für alle Kassen gelten. Der Chef des Ersatzkassenverbands VdEK, Thomas Ballast, wies dies gegenüber dieser Zeitung sogleich als „Versuch, sich für kleine Münze freizukaufen“, zurück. Und der Ton, mit dem BPI-Chef Bernd Wegener das Treffen kommentierte, lässt nichts Gutes ahnen. Kassen und Politik wollten „wieder einmal von den eigenen Fehlleistungen ablenken“, sagte er. Die Hersteller hätten schon „wesentlich“ zur Stabilisierung des Systems beigetragen. Und sie hätten es satt, wider besseres Wissen als „Buhmänner der Nation“ vorgeführt zu werden.

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