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Mit seiner Lehrschrift "Laudato Si'" hat Papst Franziskus die globalen Gemeinschaftsgüter wie die Atmosphäre in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt.

© Max Rossi/Reuters

Die Katholische Kirche und das Klima: Welches Geheimnis sich in der Enzyklika des Papstes verbirgt

Papst Franziskus hat in seiner Lehrschrift "Laudato Si'" die globalen Gemeinschaftsgüter wie die Atmosphäre in den Mittelpunkt gestellt. Ein Gastkommentar über den revolutionären Gehalt der Enzyklika.

Der Papst hat mit seiner Umwelt-Enzyklika „Laudato Si'“ mehr als einen unverbindlichen moralischen Appell vorgelegt: Franziskus hat eine wegweisende politische Analyse vorgelegt, deren große Sprengkraft derzeit aber in der Öffentlichkeit noch kaum wahrgenommen wird.

Da wird gerne seine Konsumkritik hervorgehoben. Oder es wird betont, das Oberhaupt der katholischen Kirche kritisiere die übermäßige Nutzung von sozialen Netzwerken wie Facebook. Oft heißt es auch, der Papst habe eine „Öko-Enzyklika“ vorgelegt. Die Gemeinschaft der Klimaschützer jubelt schon „Habemus Klimapapst“ und freut sich, dass Franziskus aus Kohle, Öl und Gas aussteigen will.

Die USA als Sonderfall der öffentlichen Debatte

Einen Sonderfall in der Wahrnehmung der Enzyklika stellen die USA dar. Dort dreht sich die Debatte vor allem um die längst beantwortete Frage, dass der Klimawandel menschengemacht ist. Was hierzulande spätestens nach dem letzten Bericht des Weltklimarates IPCC als Allgemeinplatz gilt und kein Erstaunen mehr hervorruft, wird in den USA selbst vom Präsidentschaftskandidaten Jeb Bush angezweifelt. Der Papst weist aber alle Klimaskeptiker in die Schranken, in dem er den wissenschaftlichen Fakt anerkennt, dass der Klimawandel vom Menschen verursacht ist.

 Der Papst entdeckt die "Global Commons"

Welcher dieser Aspekte auch immer in der öffentlichen Debatte bislang in den Vordergrund gerückt wurde – das eigentliche Geheimnis der Enzyklika haben nur wenige entdeckt: die Global Commons. Es ist richtungweisend, dass der Papst die Atmosphäre als globales Gemeingut definiert, die wir nicht länger als weltweite Müllkippe für CO2-Abfälle missbrauchen dürfen. Wörtlich heißt es: „Das Klima ist ein gemeinschaftliches Gut von allen und für alle.“ Wenn die Implikationen dieser Aussage klar werden, dann wird verständlich, warum diese Enzyklika auch für Agnostiker, Atheisten oder Andersgläubige revolutionäres Potenzial haben kann.

Das Grundproblem der internatonalen Klimapolitik

Die Enzyklika beschreibt in Kurzform das Grundproblem der internationalen Klimapolitik: Wir nutzen die Atmosphäre als Deponieraum, den derzeit jeder kostenlos verschmutzen darf. Die Wissenschaft hat gezeigt, dass wir nur noch etwa 1000 Gigatonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre emittieren dürfen, wenn wir die Zwei-Grad Temperaturobergrenze nicht überschreiten wollen. Es lagern aber noch etwa 15 000 Gigatonnen Kohlendioxid an fossilen Ressourcen im Boden.

Wenn wir alle die Atmosphäre wie vom Papst vorgeschlagen als globales Gemeingut anerkennen würden, müsste also ein Großteil der fossilen Ressourcen im Boden bleiben. Eigentumsfragen müssten neu gestellt werden. Denn wir müssten eine Antwort darauf finden, wer welchen Anteil an der Atmosphäre besitzt und sie wie stark verschmutzen darf. Gerechtigkeitsfragen müssten neu gestellt werden. Das derzeit herrschende Recht des Stärkeren, die Atmosphäre durch die Ablagerung von Kohlenstoff nach Belieben zu (über)nutzen, dürfte nicht mehr länger gelten.

Fossile Ressouren verlieren an Wert 

Wenn aber die fossilen Ressourcen aufgrund des Klimaschutzes nicht mehr genutzt werden dürften, würden sie zwangsläufig  entwertet. Anders ausgedrückt: Die Besitzer von Kohle, Öl und Gas würden faktisch enteignet. Die überzeugende Begründung der Enzyklika hierzu lautet, dass Privateigentum nur dann ethisch gerechtfertigt ist, wenn es dem Gemeinwohl dient. Auf dieser Grundlage würde die Entwertung der Vermögenswerte von Ressourcenbesitzern wie etwa Ölscheichs auch keine widerrechtliche Enteignung darstellen. Im Gegenteil: Sie wäre legitim, weil sie dem Gemeinwohl dient, nämlich der Reduzierung der Risiken und Folgen des Klimawandels.

Es sind solche rechtlichen und verteilungspolitischen Konsequenzen, die die Staaten in der Klimapolitik fürchten. Zwar ist es verständlich, dass es der Staatengemeinschaft bisher so schwer gefallen ist, eine Lösung für die Übernutzung der „Global Commons“, wie der Atmosphäre, Ozeanen oder Wäldern zu finden. Aber der Papst enttarnt unmissverständlich die Machtinteressen derer, die den Klimawandel leugnen und Klimaschutz verhindern wollen: „Viele von denen, die mehr Ressourcen und ökonomische oder politische Macht besitzen, scheinen sich vor allem darauf zu konzentrieren, die Probleme zu verschleiern.“

Wer handelt?

Was nun konkrete Handlungsempfehlungen zur Vermeidung des Klimawandels und Überwindung der Armut angeht, bleibt die Enzyklika indes – zu Recht –  eher unspezifisch. Schließlich ist es nicht Aufgabe des Papstes, so tief ins Handwerk der Politik einzugreifen. In dem Sinne erkennt der Papst die unterschiedlichen Kompetenzbereiche von Religion, Politik und Wissenschaft an.

Deutlich wird der Papst aber, wenn es um die Akteure geht, von denen er sich Handel erhofft. Der Papst appelliert nicht an die Regierungen, sondern kritisiert vielmehr, dass die Verhandlungen der internationalen Politik bislang zu wenig gebracht haben. Trotzdem bürdet er die Verantwortung für Lösungsansätze beim Klimaproblem nicht jedem einzelnen auf. Seine Enzyklika richtet stattdessen ihren Fokus auf eine „weltweite Ökologiebewegung“ aus Akteuren wie Nichtregierungsorganisationen, Genossenschaften und Verbände. Für den Papst ist klar: ohne den Druck von außen auf die Politik wird es keinen Fortschritt in der Klimapolitik geben. 

Mit dieser Einschätzung beschreibt die Enzyklika eine Bewegung, die global bereits eingesetzt hat: Städte und Kommunen werden sich immer mehr ihrer Rolle als Klimaschützer bewusst. Der norwegische Staatsfonds steigt aus dem Kohlegeschäft aus. Und sechs große Ölfirmen betteln förmlich um ein weltweites Preissystem für Emissionen, so dass die Verschmutzung nicht mehr kostenlos ist. Zusammen genommen können diese Akteure durchaus den Abschluss eines internationalen Klimaabkommens erleichtern.

 Gerechte Bewirtschaftung der Gemeingüter

Letztlich werden wir eine gemeinsame Verständigung über eine gerechte Bewirtschaftung der Gemeingüter auf globaler Ebene brauchen. Und dazu gehören mehr Akteure als nur die nationalen Regierungen. Dass die Bewirtschaftung von Gemeingütern erfolgreich gelingen kann, ist auf lokaler Ebene bereits bewiesen: Elinor Ostrom hat gezeigt, dass Gemeinden über die Einführung von institutionellen Regeln sehr wohl in der Lage sind, Gemeinschaftsgüter so zu bewirtschaften, dass nicht zwangsläufig eine Übernutzung stattfindet. Ostrom bekam dafür 2009 sogar den Nobelpreis für Ökonomie anerkannt.

Es ist nun an der Zeit zu zeigen, dass auch die Bewirtschaftung der „Global Commons“ gemeinschaftlich möglich ist. Dies wird zu einer der wichtigsten Aufgaben des 21. Jahrhunderts. Sie kann nur gemeinsam gelingen, wenn sich eine Vielzahl von Akteuren auf verschiedenen Ebenen von global, über regional, bis lokal erfolgreich vernetzt. Denn es ist klar: Der Himmel gehört uns allen.

Brigitte Knopf
Brigitte Knopf

© MCC

Die Autorin ist Generalsekretärin des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC). Die promovierte Physikerin und Expertin für europäische Energie- und Klimapolitik bezeichnet sich selbst als Atheistin. Das MCC erforscht nachhaltiges Wirtschaften sowie die Nutzung von Gemeinschaftsgütern vor dem Hintergrund des Klimawandels. Das MCC ist eine Gemeinschaftsgründung des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und der Mercator-Stiftung.

Brigitte Knopf

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