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Die SPD und Rot-Rot-Grün: Ganz im Dienste der Partei

In Thüringen wird ein gelernter westdeutscher Gewerkschaftssekretär zum Symbol einer Quasi-Rückkehr. Der erste Sieg der Postkommunisten. Das eigentliche Fanal aber ist: Dass die SPD da mitmacht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Es ist eben doch noch nicht normal, was da in Thüringen passiert. Es ist schon etwas Besonderes, wenn ein Politiker der Linken, der Linkspartei, vormals PDS-SED, zum Ministerpräsidenten gewählt werden kann. Nur 25 Jahre danach, nach dem Mauerfall, der Öffnung, die ein gemeinsames Volk erst schuf! In der Geschichte sind 25 Jahre nichts, sie sind ein Wimpernschlag.

War es nicht gestern, dass in den öffentlichen Gebäuden noch Wofasept zu riechen war, das Reinigungsmittel aus dem VEB Chemiekombinat Bitterfeld, das so unverkennbar für die DDR stand, so dominant? Wie spottete Gerhard Seyfried, der spitze Chronist der Alternativen: die Deutsche Desinfizierte Republik. Bis heute steht der Geruch in verlassenen Fluren. Der alte. Aber es gibt heute auch den neuen, der ist nicht mehr so streng: Wofasept mit Duftstoffen.

So kann es mit der Geschichte gehen. Manchmal kommt sie mit Duftstoffen. Und gereinigt fühlt sich die Linke bestimmt, nach all ihren Stasi-Debatten. Die haben die Partei, die aus der großen Versunkenen hervorgegangen ist, auch tatsächlich nicht unverändert gelassen. Da sind 25 Jahre doch schon eine hinreichende Zeit. Außerdem ist sie das Produkt des Zusammengefügtwerdens mit einer Wählergruppierung aus dem Westen, die ebenfalls versunken ist. Das Zusammenwachsen beginnt da gerade erst.

Die Vergangenheit ruht noch lange nicht

Wenn nur die immer wiederkehrenden anderen Debatten nicht wären, die über die Frage, ob die DDR nun ein Unrechtsstaat war oder ein Staat, in dem Unrecht geschah. Hier ruht die Vergangenheit noch lange nicht, das legen die Wortklaubereien und Spitzfindigkeiten offen. Die Worte werden manchmal so spitz, dass sie alte Wunden aufreißen.

Schon gar jetzt, wo in Erfurt Bodo Ramelow auf dem Weg zum höchsten Regierungsamt ist. Eine Premiere. Ein gelernter westdeutscher Gewerkschaftssekretär wird zum Symbol einer Quasi-Rückkehr. Der erste Sieg der Postkommunisten – im westlichen Ausland, vielleicht noch mehr im östlichen, in Polen und Tschechien, werden sie sich die Augen reiben. So kann man es sehen: ein Signal.

Nur wofür? Für eine fällige Normalisierung in der politischen Landschaft, nach so vielen Wahlen in der neuen deutschen demokratischen Republik, in denen die Linke gut abschnitt? Ist sie einfach mal dran? Oder ist es vielleicht ganz anders, ist es die Relativierung eines Wählerwillens, weil die Linke doch gar nicht gesiegt hat? Tatsache ist: Die CDU stellt die deutlich stärkste Fraktion, die Wähler wollen bis heute mit mehr als zwei Dritteln eine große Koalition der CDU mit der SPD in Thüringen, Rot-Rot-Grün hat eine Stimme Mehrheit. Wie Schwarz-Rot.

Dass aber die SPD mitmacht ist mehr Fanal als Signal

Gleichviel, es ist auch Demokratie, dass einer die Stimmen zusammenkratzt, bis es reicht. Dass aber die SPD mitmacht, ist das eigentlich Große an dieser Koalition, das ist mehr Fanal als Signal. Die SPD stellt sich in den Dienst der Partei, von der sie im Osten Deutschlands auf Dauer marginalisiert werden könnte. Denn wenn das gelingt, was sie jetzt ermöglicht – wozu dann noch SPD? So links kann sie gar nicht werden, dass man ihr die Linke abnimmt, und so ressentimentgeladen darf sie nicht werden.

Ja, und das alles ihr, die sie vor 25 Jahren den richtigen Impuls hatte und den falschen Schluss daraus zog: Sie sollte ihr „Blut“ zurückfordern, wie Egon Bahr sagte, sollte die Sozialdemokraten aus der SED zurückwollen – und nahm sie dann nicht. Anders als die anderen, als die CDU, die ihre östliche Schwester in die Arme schloss. Als dann noch Gerhard Schröder mit seiner Agendapolitik kam und Oskar Lafontaine mit einer Rachepolitik, da war es endgültig geschehen: eine weitere Abspaltung auf der Linken. Eine historische, wie sich zeigt.

Thüringen kam zuerst. Wir werden uns daran erinnern. Die SPD wird daran erinnert werden. Zehn Prozent in den Ländern sind auch schon ein schönes Ergebnis, und im Bund 23. Da kann die SPD nur hoffen, dass die Ausfaserung auf der Rechten von Dauer ist. Weil die Linke viele Stimmen an die AfD abgibt. Normal ist das nicht. Aber es sind ja auch erst 25 Jahre seit dem Mauerfall.

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