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Politik: Dynastische Erbfolge in Tours

Die Tochter von Parteigründer Le Pen will am Wochenende den Vorsitz der rechtsextremistischen Nationalen Front übernehmen

Paris - Es fängt gut an mit Marine Le Pen. Noch ist die Tochter des Gründers und langjährigen Führers der rechtsextremistischen Nationalen Front nicht zur Nachfolgerin ihres Vaters Jean-Marie Le Pen gewählt worden. Das soll erst an diesem Wochenende auf einem Parteikongress in der westfranzösischen Stadt Tours erfolgen. Dass sie sich gegen Bruno Gollnisch, den einzigen Gegenkandidaten, durchsetzen wird, unterliegt keinem Zweifel. Doch schon hat sie die Justiz am Hals. Die Gebete von Muslimen auf öffentlichen Plätzen hatte sie kürzlich mit der deutschen Besetzung während des Zweiten Weltkriegs verglichen. Das brachte ihr jetzt Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen des Aufrufs zum Rassenhass ein.

Wer meinte, unter Marine Le Pen würde sich das vom polternden Vater geprägte Image der Partei als einer Rabaukentruppe zu dem einer salonfähigen politischen Kraft wandeln, muss sich wohl korrigieren. Seit dem Wahljahr 2007, als die Nationale Front bis auf kümmerliche 4,3 Prozent absackte, hat sie darauf hingearbeitet, den heute 82-Jährigen zu beerben. Doch der hatte lange Zeit gezögert, die Partei, sein „Lebenswerk“, in jüngere Hände zu legen. 1972 hatte der ehemalige Fallschirmjäger des Indochina- und Algerienkriegs die Nationale Front aus versprengten rechtsradikalen Gruppen zusammengefügt. Heute hat sie etwa 20 000 Mitglieder, die per Briefwahl bereits ihre Stimme in der Nachfolgeregelung abgegeben haben. Das Ergebnis der Auszählung wird am Sonntag verkündet.

Unter den sozialen Folgen der Ölkrisen und den unbewältigten Problemen der Einwanderung wuchs das einstige Sammelbecken von Nostalgikern der verlorenen Größe Frankreichs, Anhängern strammer Disziplin und strenger Ordnung sowie Gegnern der europäischen Integration im Lauf der Zeit zu einer Protestpartei heran, die Frankreichs KP in dieser Rolle ablöste. An ihrer Spitze löste Le Pen mit ausländerfeindlichen Tiraden und antisemitischen Ausfällen immer neue Provokationen aus. Die brachten ihm den Beifall der Mitglieder, aber stets auch öffentliche Ablehnung und gerichtliche Verurteilungen ein.

Solche Töne waren von der Tochter bisher nicht zu vernehmen. Mit 42 Jahren gehört sie einer neuen Generation an, die nicht mehr ständig in die Vergangenheit zurückblicken will. In ihren Reden geißelt sie die Macht der Finanzmärkte, verteidigt die Verlierer der Krise und wettert gegen die Bürokraten in Brüssel. Sie warnt vor den Gefahren eines radikalen Islam und fordert Respekt vor dem in der Verfassung verankerten Laizismus. Vor Gericht vertrat sie als Rechtsanwältin aber auch von der Ausweisung bedrohte Einwanderer. Selbst zum Vater ging sie auf Distanz, als dieser mit der Behauptung aufwartete, die deutsche Besetzung Frankreichs sei „nicht besonders inhuman“ gewesen.

Marine Le Pen wolle die Nationale Front „entdiabolisieren“, heißt es. Die zweifach geschiedene Mutter dreier Kinder könnte durchaus einen Stilwechsel einleiten. Laut Umfragen urteilt jeder fünfte Befragte positiv über sie. 40 Prozent trauen ihr zu, bei der Präsidentenwahl 2012 in die zweite Runde zu kommen und Präsident Nicolas Sarkozy in Schwierigkeiten zu bringen. Zu verhindern sucht Sarkozy dies mit Debatten über die nationale Identität, mit der Jagd auf Roma und noch härteren Sicherheitsgesetzen, einer Politik, die der Nationalen Front das Wasser abgraben soll.

Doch auch wenn sich die Tochter moderner gibt, so ist sie keineswegs gemäßigter. Sie verfolge dieselben Ziele, nur mit anderen Methoden, erklärt der Politologe Sylvain Crépon, Autor des Buchs „Die neue extreme Rechte“. Sie reite auf der gleichen Welle wie etwa ein Geert Wilders in den Niederlanden. In ihrem Feindbild hat sie den Muslim an die Stelle des Immigranten gerückt. Ihre Entgleisung über die Betenden rechtfertigte sie als „durchdachte Analyse“.

Dem Alten gefällt das. Er sagt, Marine sei eine „Chance für Frankreich“. Dass sie nicht verplempert wird, darüber will er selbst wachen. Durch Änderungen der Statuten hat er sich als künftiger „Ehrenpräsident“ Sitz und Stimme in den Führungsgremien gesichert. Gegen ihn wird also auch in Zukunft nichts entschieden. Für den anderen Fall hat er bereits gedroht: „Töchter können auch vor den Vätern sterben.“ Hans-Hagen Bremer

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