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Politik: Ein Recht auf Anonymität

Ministeriumsentwurf für „vertrauliche“ Geburt.

Mainz - Frauen soll es auch bei „vertraulichen Geburten“ ermöglicht werden, dauerhaft gegenüber ihrem Kind anonym zu bleiben. Das geht aus einem Referentenentwurf des Bundesfamilienministeriums zur „Regelung der vertraulichen Geburt“ hervor, der dem Tagesspiegel vorliegt. Danach sollen Frauen ein „Widerspruchsrecht“ erhalten, das ihnen ermöglicht, die Herkunftsakten für das Kind sperren zu lassen.

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) hatte im Frühjahr angekündigt, anonyme Geburten nicht länger dulden zu wollen. Das Angebot sollte durch eine „vertrauliche Geburt“ ersetzt werden. Das Gesetz sieht dafür folgendes Verfahren vor: Frauen können unter Pseudonym im Krankenhaus entbinden, ihre Personendaten müssen sie allerdings angeben.

Diese werden besonders geschützt und in einem verschlossenen Umschlag über einen Zeitraum von 16 Jahren sicher verwahrt. Erst mit Vollendung des 16. Lebensjahres hat das Kind das Recht, etwas über seine Herkunft zu erfahren und Einblick in die Akte zu nehmen.

Diesem Recht steht nun das sogenannte Widerspruchsrecht der Mutter entgegen: Sie kann nach 15 Jahren ohne Weiteres einen Sperrvermerk eintragen lassen. Damit wird dem Kind eine Einsichtnahme in die Akten verwehrt.

Ulrike Riedel, Mitglied im Deutschen Ethikrat, kritisierte diesen Gesetzesentwurf als völlig unzureichend. Er legalisiere faktisch anonyme Geburten. Ohne jede Begründung könnte eine Mutter ihrem Kind Kenntnisse über seine Herkunft vorenthalten. „Das ist zweifellos verfassungswidrig“, sagte die Berliner Rechtsanwältin dem Tagesspiegel. Auch die Rechte des leiblichen Vaters versandeten völlig: „Väterrechte kommen in diesem Gesetzesentwurf überhaupt nicht vor.“

Gesetzliche Regelungen für Babyklappen sieht der Entwurf nicht vor. Die Praxis, Kinder anonym abzugeben, soll offenbar nicht eingeschränkt werden. Es ist lediglich geplant, die Auswirkungen des Gesetzes auf die rund 100 existierenden Babyklappen zu evaluieren. Nach einem Zeitraum von drei Jahren soll geprüft werden, ob das Gesetz die „dem geltenden Recht nicht genügenden Babyklappen“ überflüssig mache.

Nachdem eine Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) über Babyklappen und anonyme Geburten im Frühjahr erhebliche Missstände zutage gefördert hatte, hatte Schröder angekündigt, die anonyme Praxis gesetzlich regeln und durch eine vertrauliche Geburt ersetzen zu wollen. Laut DJI-Studie waren von 1000 Kindern, die seit 1999 anonym abgegeben worden waren, hunderte den Jugendämtern nicht bekannt. Weiter beklagte die Studie die Rechtswidrigkeit der Angebote, die mangelnde Aufsicht und fehlende Dokumentationspflicht. Marion Mück-Raab

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