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Jesus Christus reicht allen seine Hand - jedenfalls dessen Statue in Rio de Janeiro.

© Sebastian Kahnert/dpa

Einschränkung der Religionsfreiheit: Im Nahen Osten droht ein Ende christlicher Präsenz

Das Christentum ist die am stärksten unterdrückte Religionsgemeinschaft. Die Kirchen in Deutschland mahnen jetzt besonders das Recht zum Glaubenswechsel an - zurecht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Apostel Paulus schreibt im Galaterbrief: „Lasst uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen.“ Aber gibt es das, die globale Gemeinschaft der Christen? Sieht ein protestantischer Christ aus Dänemark einen orthodoxen Christen aus Eritrea ganz selbstverständlich als seinen Glaubensbruder an? Erst langsam entsteht ein grenzüberschreitendes solidarisches Gefühl des Miteinanders. Was einem von ihnen getan wird, geht alle anderen an: Der Weg dahin ist freilich weit. 

Die Kirchen in Deutschland haben jetzt ihren zweiten „Ökumenischen Bericht zur Religionsfreiheit von Christen weltweit“ veröffentlicht. Im wesentlichen schreibt er die Tendenzen des ersten Berichts aus dem Jahr 2013 fort. Etwa drei Viertel aller Menschen, die weltweit wegen ihres Glaubens verfolgt werden, sind Christen. Das Christentum ist die am stärksten unterdrückte Religionsgemeinschaft. 

Der Fokus richtet sich in diesem Jahr auf die Lage im Nahen Osten sowie auf das Recht zum Glaubenswechsel. Apostasie wird in vielen islamisch geprägten Ländern hart bestraft. Wer als Muslim zum Christentum übertritt, kann dies etwa im Iran mit dem Tode bezahlen. Dabei haben alle islamischen Länder die UN-Menschenrechtscharta unterzeichnet. In Artikel 18 steht: „Jeder hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, dieses Recht schließt die Freiheit ein, seine Religion oder seine Weltanschauung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder seine Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Kulthandlungen zu bekennen.“

Bericht der Deutschen Bischofskonferenz und der EKD

Prekär ist derzeit die Lage von Christen besonders im Nahen Osten. Aufgrund langfristiger Trends und der Auswirkungen der Terrorherrschaft der Miliz „Islamischer Staat“ drohe in einigen Ländern ein Ende der christlichen Präsenz, heißt es in dem Bericht der Deutschen Bischofskonferenz und der EKD. Im Irak lebten einst 1,5 Millionen Christen, im Jahr 2013 waren es noch eine halbe Million. Heute sind es nach Schätzungen mehrerer christlicher Bischöfe nur noch zwischen 250.000 und 300.000. Viele Gläubige seien ins Ausland geflohen. Von den 1,1 Millionen Christen in Syrien sind seit Beginn der kriegerischen Konflikte im Jahr 2011 rund 700.000 geflohen. 

Nordkorea, Nigeria, China, Vietnam, Somalia, Saudi-Arabien, Iran, Sudan: Christen werden vor allem dort bei der Ausübung ihrer Religion behindert, wo sie in der Minderheit sind, als „fremd“ gelten und im Ruf stehen, einflussreiche Kontakte ins Ausland zu pflegen. „Viele leben in Bedrängung und müssen Diskriminierung erfahren“, sagte der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick am Freitag in Berlin bei der Vorstellung des Berichts. „Ihnen, unseren Schwestern und Brüdern im Glauben, gilt die besondere Solidarität der Kirchen in Deutschland. Und ich möchte gleich hinzufügen: Dieses Engagement schließt immer den Einsatz für alle Menschen ein, die um ihres Glaubens willen verfolgt werden. Unser Einsatz für die Christen ist exemplarisch, aber nicht exklusiv.“

Empörungswellen im Westen können auch schaden

Das Thema ist heikel, es zu diskutieren, erfordert Sensibilität. Lange zögerten die beiden christlichen Amtskirchen in Deutschland, pauschal von Christenverfolgung zu sprechen. Außerdem ging die Angst um, antiislamische Topoi zu transportieren. Sehr viel offensiver legten evangelikale Organisationen wie „Open Doors“ die Fakten auf den Tisch und klagten an. Auch der Druck, der davon ausging, bewirkte ein Umdenken. 

Allerdings können Empörungswellen im Westen den Betroffenen auch schaden, weil sie den Verdacht nähren, dass die Christen gewissermaßen Agenten des Westens sind. Gefragt ist oft eine stille Diplomatie. Außerdem ist nicht immer klar die Verfolgung zu trennen von bloßer Machtrivalität. In Nigeria etwa, dem christlichsten Land Afrikas, will die islamistische Organisation Boko Haram im Norden des Landes ein Kalifat errichten. Im Süden, wo die Christen leben, gibt es aber die meisten Bodenschätze. 

In Deutschland konvertieren viele Flüchtlinge vom Islam zum Christentum. In mehreren Flüchtlingsunterkünften kam es deshalb zu Gewalttaten, verübt von Muslimen an konvertierten Christen. Auch diese Entwicklung muss genau beobachtet werden. Zum importierten Antisemitismus kommt offenbar eine importierte Konvertiten-Ablehnung hinzu. Die Glaubens- und Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht. Daran muss mit Nachdruck erinnert werden, in Deutschland und weltweit.

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