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Politik: „Es geht auch ohne Staatsleistungen“

Mitschke-Collande beriet als McKinsey-Direktor mehrere Bistümer. Er fordert Transparenz bei den Finanzen.

Wenn es um Finanzen geht, heißt es bei den Kirchen oft: Wir sind doch kein Konzern! Wir können keine modernen, handelsrechtlichen Bilanzen aufstellen. Verstehen Sie das? 

Das sind häufig vorgeschobene Argumente, weil man keine völlige Transparenz herstellen will. Es herrscht zwar Offenheit über die sogenannten Bistumshaushalte, die sich zum Großteil aus Kirchensteuern speisen. Im Dunkeln liegen aber die sonstigen Haushalte und Vermögenswerte des Bistums und der nachgelagerten Körperschaften und Pfarreien. Man müsste wie bei einem Konzern nicht nur die Hauptaktivitäten erfassen, sondern alles. Das muss der Anspruch sein. Natürlich ist es schwierig, die gesamten Vermögenswerte und Verbindlichkeiten zu erfassen. Aber die technischen Schwierigkeiten dürfen keine Ausrede dafür sein, dass man es nicht wenigstens versucht.

Es heißt auch oft: Wir können unsere Kathedralen, Pfarrhäuser und Kunstschätze nicht bewerten, die sind nicht marktfähig.

Es geht auch nicht darum, Kirchen, Pfarrzentren und Kunstschätze zu bewerten. Die würde ich mit null ansetzen. Es geht um Kapitalanlagen, Immobilien, Grundbesitz, Beteiligungen an Wohnungsbaugesellschaften, Unternehmen, Banken. Wenn man keine Fakten auf den Tisch legt, überlässt man die Diskussion anderen. Das ist ärgerlich und unklug. Denn die Kirche hat nichts zu verbergen. Was sie mit dem Geld tut, sind ja redliche Dinge.

Ist die katholische Kirche reich?

Ich war durchaus erstaunt, dass in den Bischöflichen Stühlen keine höheren Summen stecken. Andererseits sind 5,4 Milliarden Euro, die die katholische Kirche dieses Jahr an Kirchensteuern einnimmt, nicht wenig. Die Kirchen in Deutschland haben kein Finanzproblem und sind weltkirchlich gesehen reich.

Wenn man die Finanzen früher offengelegt hätte, hätte sich dann so manche Bistumspleite verhindern lassen?

In den 80er und 90er Jahren, als die Kirchensteuer sprudelte, hat man nicht gelernt, mit knappen finanziellen Ressourcen umzugehen. Da war viel Gottvertrauen mit im Spiel. 2003 ist das Berliner Erzbistum in die große Finanzkrise geraten mit 130 Millionen Euro Schulden. Da sind viele aufgewacht. Seitdem ist das kirchliche Finanzmanagement viel professioneller geworden. Die meisten Finanzdirektoren sind keine Kleriker mehr, sondern Betriebswirte. Die Berliner Pleite würde es heute nicht geben. Doch leider bilanzieren die meisten Bistümer immer noch nach der alten Kameralistik und stellen nur Eingaben und Ausgaben gegenüber. Das ist zu kurz gesprungen. Es fehlt immer noch der Wille, die Gesamtsummen auf den Tisch zu legen.

Was raten Sie?

Ich fordere seit Jahren schonungslose Transparenz, dass man von der Kameralistik auf eine moderne Bilanzierung umsteigt und das Gesamtvermögen ausweist, nicht nur Teile. Man hätte schon längst die Bistumshaushalte addieren können, die sind öffentlich. Da kommt man für Deutschland insgesamt auf sechs bis sieben Milliarden Euro.

Mit was wäre das vergleichbar? Mit dem Haushalt einer Kleinstadt?

Die sechs bis sieben Milliarden entsprechen in etwa dem Haushaltsvolumen des Landes Bremen. Aber im Unterschied zu Bremen sind die Bistumshaushalte grundsolide finanziert.

In der evangelischen Kirche stimmen die Synoden, die Kirchenparlamente, über den Haushalt ab. Braucht es auch in der katholischen Kirche mehr Kontrollgremien?

Es gibt in den Bistümern Kontrollgremien, zum Beispiel den Kirchensteuerrat oder die Vermögensverwaltungsräte. Doch ich bezweifle, dass da da immer Leute sitzen, die sich trauen, dem Bischof auch mal zu widersprechen. Da gibt es viel falsche Ehrfurcht. Viele fühlen sich geschmeichelt, dass sie zum Beraterstab des Bischofs gehören. Wir Katholiken müssen den aufrechten Gang lernen. Es kann nicht sein, dass alle in die Knie gehen, wenn ein Kardinal um die Ecke kommt. Dieses höfische Gehabe muss ein Ende haben.

Die Kirche definiert sich als Kirche der Sünder …

… daraus muss man dann halt auch mal Konsequenzen ziehen, Vorsichtsmaßnahmen treffen. Wir brauchen ein System von wirksamen Checks and Balances. Aber in der Kirche wird oft argumentiert, wie es gerade passt.

Politikern vor allem der FDP und der Linken ist das Verhältnis von Staat und Kirche in Deutschland zu eng. Sie fordern zum Beispiel, dass die sogenannten Staatsleistungen abgelöst werden. Das sind die im Grundgesetz garantierten Zahlungen der Bundesländer an die Kirche im Ausgleich für Kirchenbesitz, der 1803 im Rahmen der Säkularisation enteignet wurde. 2013 bekommt die katholische Kirche etwa 200 Millionen Euro. Kirchenkritiker fordern: Damit muss Schluss sein. Haben sie recht?

Die Kirche sollte auf die 200 Millionen verzichten. Hier bin ich für eine radikale Entweltlichung. Doch in dem Punkt argumentieren die Kirchen gerne weltlich: Wir haben hier eine Rechtsposition, die geben wir nicht auf. Es stimmt, es gibt die Rechtsposition. Doch die stammt aus dem Jahr 1803. Das ist lange her. Auf die 200 Millionen Euro könnten die katholischen  Bistümer angesichts von sechs bis sieben Milliarden Gesamthaushalt verzichten – ohne in größere finanzielle Schwierigkeiten zu kommen. Die Kirchensteuereinnahmen steigen wegen der guten Konjunktur. Dieses Jahr bekommen die beiden Kirchen 400 bis 600 Millionen Euro mehr, nächstes Jahr auch.

Die Kirchen sollten dem Staat Geld schenken?

Sie könnten ja eine Bedingung stellen: Der Staat muss mit den Millionen, die er nicht mehr an die Kirchen zahlt, etwas Gutes tun. Zum Beispiel ein Institut gründen, mit dem Flüchtlinge oder behinderte Menschen unterstützt werden. Das Geld sollte nicht in einem Haushaltsloch verschwinden. Auf diese Weise könnten sich die Kirchen vom Staat finanziell unabhängiger machen, und durch den Verzicht auf dieses Geld gehen die Kirchen nicht unter. So müsste eigentlich eine Institution agieren, die sich anders verhalten will als ein Unternehmen.

Ist es noch zeitgemäß, dass der Staat die Kirchensteuer einzieht?

Von der Kirchensteuer haben beide Seiten etwas. Der Staat bekommt für seinen Dienst ja auch Geld. Wenn man auf die Kirchensteuer verzichten würde, könnten die Kirchen im sozialen Bereich oder bei der Bildung längst nicht mehr so viel tun wie jetzt. Die Kirchensteuer kann man nicht durch Spenden oder freiwilliges Kirchgeld auffangen. Die Kirchen müssten sich aus der Fläche zurückziehen, ihr gesellschaftliches Engagement zusammenstreichen und würden sich abhängig machen von Großspendern. Könnte man einem solchen Spender dann noch so frei wie jetzt sagen: Du bist verheiratet und hast Freundinnen, das geht nicht?

Das Interview führte Claudia Keller.

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