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EU-Ratschef Donald Tusk.

© REUTERS

EU-Gipfel: Tusk sieht EU "als Lösung, nicht als Problem"

Nachdem in den ersten Monaten des Jahres die Furcht vor einem Durchmarsch der Rechtspopulisten grassierte, soll das bevorstehende EU-Spitzentreffen in Brüssel wieder ein normaler "Arbeitsgipfel" werden.

Die Tonlage hat sich geändert. Noch vor einigen Monaten haben die Staats- und Regierungschefs der EU angesichts eines möglichen Wahlsieges der Populisten in den Niederlanden und in Frankreich gebannt auf die Entwicklung in den beiden Länder geschaut. Zum zweitägigen EU-Gipfel, der an diesem Donnerstag in Brüssel beginnt, wird aber weder die französische Rechtsextreme Marine Le Pen noch der Niederländer Geert Wilders anreisen. Statt dessen kommen aus Paris Staatschef Emmanuel Macron und aus Den Haag der Regierungschef Mark Rutte. „In vielen unserer Länder“, schrieb EU-Ratschef Donald Tusk in seinem Einladungsschreiben zum Gipfel, „sind die Parteien, die ihre Kraft aus einer Anti-EU-Stimmungsmache beziehen, im Schwinden begriffen“. Die EU werde inzwischen wieder „als Lösung, nicht als Problem“ wahrgenommen.

Ähnlich entspannt schaut man auch in der Bundesregierung auf das zweitägige Treffen. Von einem „Arbeitsgipfel“ ist die Rede: Nicht hektische Krisengespräche sollen das Treffen beherrschen, sondern eine zähe Weiterarbeit an jenen Themen, wie sie schon bei einem EU-Treffen in Bratislava im vergangenen Jahr auf der Tagesordnung standen: Die gemeinsame Terrorbekämpfung (insbesondere das Vorgehen gegen Hassbotschaften im Internet), die weiteren Schritte zur Schaffung einer europäischen Verteidigungsunion und die Migration (vor die Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache).

In Berlin ist man auf Mays Ausführungen „gespannt“

Dabei gäbe es durchaus ein Thema, das für einige Aufregung auf den Gängen des Brüsseler Ratsgebäudes während des zweitägigen Treffens sorgen könnte: Der Brexit. Die Position der britischen Regierungschefin Theresa May ist zwar seit ihrer Schlappe bei der Unterhauswahl geschwächt. Aber immer noch lässt sich nicht klar sagen, was dies für ihre ursprüngliche Forderung eines „harten Brexit“ bedeutet.

Auf den Brexit, der für die EU nach wie vor eine große Herausforderung darstellt, ging Tusk in seinem Einladungsbrief nur am Rande ein. Am Ende des Abendessens am Donnerstag, schrieb der Pole, „wird uns Premierministerin May über ihre Absichten im Hinblick auf die Verhandlungen des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union“ informieren. Hinter der diplomatischen Formulierung steckt der Wunsch Tusks, keine ausufernde Debatte zwischen May und den übrigen 27 Gipfelteilnehmern bei dem Spitzentreffen zuzulassen. Seine Gipfel-Regie sieht hingegen einen anderen Ablauf vor: May soll über ihre Sicht der Brexit-Verhandlungen kurz berichten. Aus der Bundesregierung in Berlin hieß es dazu: „Wir sind da gespannt, aber wir haben keine besonderen Wünsche.“

Bundesregierung setzt auf Entscheidung zu EU-Agenturen bis Oktober

Nachdem May ihre Ausführungen beendet hat, wollen die EU-27 unter sich – ohne die britische Regierungschefin – am späten Abend über die Verfahrensregeln sprechen, die bei der Verlagerung der bislang in Großbritannien beheimateten EU-Agenturen gelten sollen. Für die EU-Arzneimittelagentur EMA und die Bankenaufsicht EBA müssen neue Standorte gefunden werden. Die eigentliche Entscheidung darüber, welche Städte bei der Umsiedlung der beiden Agenturen zum Zuge kommen, solle „hoffentlich bis Oktober“ gefallen sein, hieß es in Regierungskreisen in Berlin.

Macrons erster Gipfel

Es mag zwar ein „Arbeitsgipfel“ sein – Interesse dürfte aber in jedem Fall der erste Auftritt Macrons bei einem europäischen Spitzentreffen hervorrufen. Der Sozialliberale von der Mitte-Partei „La République en Marche“ lässt sich keiner der beiden großen europäischen Parteifamilien – der konservativen EVP und den Sozialisten – zuordnen. Deshalb wird Macron auch direkt zum Gipfel anreisen und bei keinem der traditionellen Vortreffen der Parteifamilien eine Stippvisite machen. Mindestens eine Verbündete hat Macron in jedem Fall. Beim Tag der deutschen Industrie in Berlin hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstag offen für einen Euro-Finanzminister und ein eigenes Budget für die Währungsgemeinschaft gezeigt – eben jene Forderungen, die auch Macron mittelfristig auf EU-Ebene einbringen will.

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