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Facebook geht an die Börse: Die Angst vor der neuen Internetblase

Facebook macht nun den ganz großen Deal – und schon melden sich Zweifler. Entsteht eine neue Internetblase?

Die Spekulationen haben ein Ende, nun liegen Fakten auf dem Tisch. Das soziale Netzwerk Facebook will an die Börse und hat dafür bei der amerikanischen Börsenaufsicht SEC die Unterlagen eingereicht. Fünf Milliarden Dollar (etwa 3,8 Milliarden Euro) will das Unternehmen einnehmen – nur halb so viel wie erwartet. Aber die Summe kann noch steigen. Wenn die Nachfrage der Investoren hoch ist, kann der Preis noch angehoben werden. Der bisher größte Börsengang eines Internetunternehmens wird mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Viele Beobachter warnen, dass sich hier bereits eine neue Internetblase aufbaut.

Was will Facebook?

845 Millionen Menschen auf der Welt nutzen Facebook mindestens einmal im Monat, um sich selbst darzustellen und sich mit ihren Freunden auszutauschen. Damit ist es das mit Abstand größte soziale Netzwerk. „Facebook wurde ursprünglich nicht gegründet, um ein Unternehmen zu sein“, erklärt Gründer Mark Zuckerberg in einem offenen Brief an die Aktionäre seine Motivation. „Es wurde aufgebaut, um eine soziale Mission zu erfüllen – die Welt offener und vernetzter zu machen.“ Und auch zur Frage des Geldverdienens äußert sich Zuckerberg: „Wir entwickeln keine Dienste, um Geld zu machen. Wir verdienen Geld, um bessere Dienste zu entwickeln.“ Mit solchen Aussagen kann man normaler Weise keine Investoren locken. Auch in der Vergangenheit hat Zuckerberg gezeigt, dass es ihm nicht in erster Linie ums Geld geht. Angebote, Facebook für Milliardenbeträge zu verkaufen, hat er immer ausgeschlagen. Bisher hat er das rasante Wachstum des Netzwerks mit privaten Geldgebern und den Werbeerlösen finanziert. Zuckerberg war es wichtig, immer die Kontrolle über sein Lebenswerk zu behalten. Bisher hielt das Unternehmen seine Geschäftszahlen unter Verschluss. Doch inzwischen hat Facebook mehr als 500 Anteilseigner und muss daher nach US-Recht seine Zahlen künftig ohnehin veröffentlichen. Daher macht Facebook nun den Schritt an die Börse. Zuckerberg lässt allerdings keinen Zweifel daran, dass er auch in Zukunft das Sagen haben will.

Wie steht das Netzwerk da?

Das erst 2004 gegründete Unternehmen ist bereits seit 2009 profitabel: Im vergangenen Jahr stieg der Gewinn im Vergleich zum Vorjahr um 65 Prozent auf eine Milliarde Dollar. Zum Vergleich: So viel verdiente Apple während des Weihnachtsquartals in einer Woche. Allerdings wächst Facebooks Gewinn rasant. Und das ist es, was die Investoren interessiert. Das Gewinnwachstum sei auch bemerkenswert vor dem Hintergrund, dass Facebook massiv in sein Wachstum investiert habe, sagt Ralf Kaumanns, Geschäftsführer des Marktforschungsdienstes Strategyfacts.com. Seine Einnahmen – 2011 waren es 3,7 Milliarden Dollar – erzielt das Unternehmen überwiegend (85 Prozent) aus der Werbung auf seinen Seiten. Doch immer mehr Erlöse kommen aus anderen Geschäften: So bekommt Facebook zum Beispiel einen Anteil, wenn ein Nutzer für das Bauernhofspiel Farmville einen virtuellen Traktor kauft. Die Spielefirma Zynga steht inzwischen für zwölf Prozent der Facebook-Erlöse. Vergleicht man, was andere Internetkonzerne pro aktivem Nutzer im Jahr umsetzen, steht Facebook ziemlich schwach da: Amazon hat pro Nutzer einen Umsatz von 40 Dollar pro Jahr, Google von 36, Ebay von elf und Facebook nur von 4,30 Dollar, hat Marktanalyst Kaumanns ermittelt.

Was ist das Unternehmen wert?

Eine wichtige Kennzahl ist die Marktkapitalisierung eines Unternehmens an der Börse. Sie ergibt sich aus der Anzahl der Aktien multipliziert mit dem Kurs. Facebook hat zwar angekündigt, fünf Milliarden Dollar einnehmen zu wollen, aber nicht gesagt, wie viele Aktien es dafür ausgibt. So lässt der Börsenprospekt keine Rückschlüsse zu, welchen Wert das Management dem Unternehmen zumisst. Analysten haben einen Wert zwischen 75 und 100 Milliarden ermittelt. Der Jahresgewinn von zuletzt einer Milliarde Dollar rechtfertigt eine Bewertung von 100 Milliarden Dollar eigentlich nicht. So hat Google im gesamten Jahr 2011 rund zehn Milliarden Dollar verdient und kommt dabei auf eine Bewertung von 188 Milliarden Dollar. Wertvollstes Unternehmen der Welt ist momentan Apple mit 425 Milliarden Dollar. Der Computerbauer verdiente allein im vergangenen Weihnachtsquartal 13 Milliarden Dollar.

Wo liegen die Risiken des Börsengangs?

Facebooks Stärke sind die Millionen Nutzerdaten, die das Unternehmen gespeichert hat. Diese ermöglichen zum Beispiel, Werbung sehr zielgenau zu schalten. Doch die Art und Weise, wie das Unternehmen mit den großen Datenmengen seiner Nutzer umgeht, ruft immer wieder Kritik hervor – nicht nur in Europa, sondern zunehmend auch in den USA. „Als börsennotiertes Unternehmen muss Facebook umso mehr den Anspruch erfüllen, sich an Recht und Gesetz zu halten – und zwar nicht nur in den USA, sondern auch auf wichtigen Auslandsmärkten wie Deutschland“, sagte Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) der dpa. Ähnlich sieht das auch Alys Woodward, Analystin des US-Marktforschers IDC: Facebooks wertvollstes Gut liege in den persönlichen Daten der Nutzer, sagt sie. „Aber als börsennotiertes Unternehmen, das gezwungen ist, jedes Quartal die Analysten der Wall Street zu beeindrucken, wird der Druck steigen, Geld aus diesen Daten zu machen.“ Zugleich fürchteten aber viele Konsumenten, dass ihre Privatsphäre verletzt und ihre Facebookdaten weitergegeben würden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Nutzer Facebook überdrüssig werden. Und die größte Gefahr ist: Im Internet ist das nächste Netzwerk nur einen Klick entfernt.

Sind die Erwartungen übertrieben?

Bei Facebook waren private Investoren bislang bereit, hohe Preise zu bezahlen. Immer wieder kauften sie kleine Teile an dem Unternehmen, jedes Mal wurde der Gesamtwert des sozialen Netzwerks noch höher als zuvor eingeschätzt. Es fließen wieder Milliarden in Internetunternehmen. Manche Analysten warnen schon, dass sich wieder eine Blase aufbaue wie in den Zeiten der New Economy vor zehn Jahren. Mit bis zu 100 Milliarden Dollar sei Facebook zwar hoch bewertet, meint Kaumanns. „Bewertungen sind aber immer eine Wette auf die Zukunft“, sagt er. „Und die Perspektiven sind sicherlich nicht schlecht.“ Denn trotz der 845 Million Nutzer gebe es noch große Wachstumsmöglichkeiten in bevölkerungsreichen Ländern wie Brasilien, Indien, Russland oder China. Markus Friebel, Analyst bei Independent Research, verweist darauf, dass Facebook sehr profitabel arbeite. „Von daher kann man hier auch keinen Vergleich ziehen mit der New-Economy-Blase um die Jahrtausendwende“, sagt er. „Zu der Zeit waren die meisten Internetunternehmen alles andere als profitabel.“

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