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US-Präsident Donald Trump in Polen

© dpa/Zuma Wire/Celestino Arce Lavin

G20-Gipfel: Auf Gut und Böse kommt es nicht an

Wladimir Putin zeigt sich vor dem G20-Gipfel versöhnlich, Trump greift Russland frontal an. Wenn sie sich in Hamburg treffen, zählt Gesprächsbereitschaft. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Anna Sauerbrey

Wer glaubte, bei den diversen Vortreffen zum G-20-Gipfel würde sich die Weltlage schon irgendwie sortieren, der hat sich geirrt. Was sich abzeichnet, ist vielleicht aber das: Die Trennung zwischen den Guten und den Bösen auf der internationalen Bühne ist für das Verständnis der Gipfeldynamik weniger hilfreich als die Unterscheidung zwischen den Kooperationsbereiten und denen, die es nicht sind.

Trump und Tillerson widersprechen sich erneut - Kohärenz ist Trump egal

Dass der Charakter zentraler Achsen im Gefüge der G20 weiterhin unklar ist, namentlich der russisch-amerikanischen, dafür sorgte nicht zuletzt nur Stunden vor dem Gipfelauftakt wieder einmal das enfant terrible der Weltpolitik, Donald Trump. Bei einer Rede in Warschau bekräftigte er zwar sein Bekenntnis zur Nato und bekundete überlaut seinen Willen, an der Seite Polens und der osteuropäischen Länder zu stehen. So recht freuen dürfte sich darüber in der Europäischen Union allerdings niemand. Trump hielt eine martialische, bluttriefende Rede, vollgestopft mit Kampf- und Überlebensmetaphorik und zahlreichen Erinnerungen an die Frontstellungen des Zweiten Weltkriegs. Das war einerseits dem Ort geschuldet – Trump sprach an einem Denkmal der polnischen Widerstandsbewegung – derart drastisch hätte das Bild von der Welt aber nicht ausfallen müssen.
Trump porträtierte den Westen als in seiner Existenz bedrohtes Gebilde. Er nannte vor allem den Terrorismus, stellte aber auch Russland klar auf die Seite der Aggressoren, indem er von sowjetischen Kriegsverbrechen gegen Polen quasi im selben Atemzug wie von russischen Cyberangriffen sprach und Putin "destabilisierendes Verhalten" vorwirft. Dann verstieg er sich in Fantasien über die kulturelle Suprematie des Westens („Wir schreiben Symphonien“) und zeichnete das Bild einer Welt im kulturellen Kriegszustand. Es war, als würde er die russische Ich-Erzählung vom angegriffenen Land im kulturellen Verteidigungszustand übernehmen.

Es geht um Kooperationsbereitschaft und Kooperationsverweigerung

Trumps Außenminister, Rex Tillerson, hingegen, streckte am selben Tag die Hand in Richtung Russland aus und bot eine Zusammenarbeit in Syrien an. Wie schon im Falle Katars zeigt sich: Die US-Außenpolitik hat keine Linie. Tillerson hatte das Ende der Isolation Katars gefordert – während Trump darauf beharrte, das Land müsse die Finanzierung des Terrorismus aufgeben.
Putin hingegen schlug sich am Donnerstag unter die Kooperationsbereiten. In einem Gastbeitrag für das „Handelsblatt“ bekannte er sich zumindest der Form halber zu westlichen Werten – und teilte mit, wenn auch mit einem Seitenhieb auf die Sanktionen, man wolle Freihandel und Klimaschutz.
Was passiert, wenn sich Trump und Putin am Rande des Gipfels begegnen? Alles ist möglich. Trump hat erneut bewiesen, dass ihm Kohärenz nicht wichtig ist. Möglich also, dass er in Hamburg plötzlich findet, Putin sei ein „great guy“. Am Ende könnten ausgerechnet China und Russland gemeinsam mit Deutschland dafür sorgen, dass das Gipfelklima zivilisiert bleibt, dass das Gespräch konstruktiv wird. Damit liegen sie vorn.

Was zählt in der neuen Weltordnung, ist nicht der Kulturkampf zwischen den Guten und den Bösen, sondern Gesprächsbereitschaft. Ob Trump das in Hamburg lernt?

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