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Afrikaner betrachtet ein Plakat gegen Abschiebung auf dem Oranienplatz in Berlin

© dpa

Gefängnisse in Bayern: Richter kritisieren Praxis der Abschiebehaft

Wer abgeschoben werden soll, ist kein Krimineller. Richter haben deshalb die Haft eines ertreischen Flüchtlings im Gefängnis München-Stadelheim untersagt.

Das Landgericht München II hat einem eritreischen Flüchtling recht gegeben, der gegen seine Abschiebehaft im Gefängnis in München-Stadelheim geklagt hatte. Die Richter sahen einen Verstoß gegen EU-Recht, das vorschreibt, dass Ausländer, die abgeschoben werden sollen, nicht gemeinsam mit Strafgefangenen festgehalten werden dürfen.

Experten sehen eine Entscheidung von bundesweiter Bedeutung: „Wir waren bereits optimistisch, nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) sich im Juli an den Europäischen Gerichtshof gewandt hatte, weil er Zweifel an der deutschen Praxis hatte“, sagt Pater Dieter Müller vom Jesuitenflüchtlingsdienst (JRS) in München. Im Falle eines weiteren Abschiebehäftlings hatte der BGH die Haft bereits ausgesetzt. Nun sei die Entscheidung in diesem konkreten Fall ein „Durchbruch“, so Müller. Flüchtlinge hätten sich keiner Straftat schuldig gemacht und würden dennoch wie Kriminelle behandelt. „Als Seelsorger stellen wir immer wieder fest, wie stark die Betroffenen unter der Stigmatisierung leiden, wie Verbrecher behandelt zu werden.“

Seit 2010 schreibt eine EU-Richtlinie vor, dass Abschiebehäftlinge in eigenen Einrichtungen untergebracht werden – es sei denn, ein Staat verfügt nur über normale Gefängnisse. Deutschland legt diese Vorschrift länderweise aus: Da Bayern keinen eigenen Abschiebegewahrsam hat – den gibt es aber zum Beispiel in Berlin und Brandenburg – dürfe es Ausländer auch neben verurteilten oder mutmaßlichen Kriminellen festhalten. Die EU-Kommission hat diese Praxis bereits als inakzeptabel bezeichnet: Die Richtlinie beziehe sich aufs gesamte Territorium eines EU-Mitglieds. Ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums bekräftigte im Gespräch mit dem Tagesspiegel, die aktuelle Praxis stehe nach „Meinung der überwiegenden Mehrzahl der Bundesländer im Einklang mit EU-Recht“. Zudem würden Abschiebegefangene getrennt untergebracht und nicht behandelt wie Kriminelle.

Einreise ohne das Einverständnis des aufnehmenden Staats ist nach europäischem Recht ohnehin kein Straftatbestand. Italien, das solche Grenzübertritte vor zehn Jahren per Gesetz zum Delikt erklärte und damit auch Fischer kriminalisierte, die schiffbrüchigen Flüchtlingen auf See zur Hilfe kamen, hat das nach seinen Vätern Bossi-Fini genannte Gesetz in der vergangenen Woche in die parlamentarische Prüfung geschickt. Es war durch die Katastrophe von Lampedusa wieder ins Blickfeld der europäischen Öffentlichkeit geraten. Vor der sizilianischen Insel kamen vor zwei Wochen mehr als 300 Flüchtlinge ums Leben, als ihr überfülltes Boot sank. Viele von denen, die in Lampedusa landen, kommen aus Somalia und Eritrea, das von einer brutalen Militärjunta beherrscht wird.

Die Linken-Politikerin Ulla Jelpke sagte, die Bundesregierung habe die EU-Richtlinie „sehenden Auges falsch umgesetzt“. Freiheit, sonst im Rechtsstaat von hoher Bedeutung, zähle „im Umgang mit Schutzsuchenden anscheinend nur wenig“.

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