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Recht auf Auskunft: Geheim gehört verboten

Datenschutz? Die Bürger sollten den Spieß umdrehen und selbst mehr vom Staat wissen wollen. Doch Informationsfreiheit hat in Deutschland leider keine lange Tradition. Eine Analyse.

Viel weiß man nicht über Informationen, nur eines: es werden immer mehr. Und fest steht auch, dass der Staat immer mehr über seine Bürger wissen will. Dann stöhnen die Bürger und rufen nach Datenschutz. Dabei könnten sie, zur Abwechslung, den Spieß effektvoll umdrehen – und selbst etwas vom Staat wissen wollen. Letzteres hat in Deutschland keine lange Tradition. Es wird akzeptiert, dass der Staat sein Wissen vielfach für sich behält. Geheimnisse haben etwas Herrschaftliches. Etwas profaner heißen sie heute beispielsweise „Verschlusssachen“. Die Ambivalenz des Themas wird deutlich an einer zentralen Behörde, die die meisten kennen: Den Bundesbeauftragten für Datenschutz. Wer aber kennt den Bundesbeauftragten für Informationsfreiheit?

Es ist dieselbe Behörde, an deren Spitze derselbe Mann steht, Peter Schaar. Vergangene Woche stellte er seinen Bericht zu den Möglichkeiten vor, als Bürger etwas vom Staat erfahren zu wollen. Dafür gibt es seit vier Jahren das Informationsfreiheitsgesetz (IFG), das grob sagt, man darf als Bürger alles wissen und kennen, was die Bundesbehörden wissen, es sei denn, es ist verboten oder geheim. Es gibt nun so viele Ausnahmen vom Grundanspruch auf Information, dass sie leider schon wieder die Regel bilden.

Entsprechend fiel Schaars Bilanz aus. Die Behörden beziehen sich bei ihrem Nein auf alle möglichen Geheimnisse. Beliebt sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse betroffener Firmen, der Schutz von Unterlagen in Vergabeverfahren, der Hinweis auf fiskalische Interessen im Wirtschaftsverkehr. Kurz: Immer, wenn es interessant wird – und dabei geht es meistens um Geld – wird man schweigsam. Der ungekrönte König der Nichtauskunft ist deshalb die Finanzverwaltung. Als ein Bürger in der Finanzkrise nach einem Prüfbericht für die Millionenüberweisung der Kreditanstalt für Wiederaufbau an die Pleitebank Lehman Brothers fragte, bekam er von Wolfgang Schäubles Finanzministerium gleich sieben Ablehnungsgründe unter die Nase gerieben.

Über jeden Einzelfall wird man streiten können, doch hat die Informationsfreiheit ein prinzipielles Problem. Ausgerechnet dort, wo der Wille des Souveräns in staatliches Recht überführt werden soll, bei der Ausarbeitung von Gesetzen, hapert es mit den Auskünften. Das Berliner Verwaltungsgericht war auf die Idee gekommen, „Regierungstätigkeit“ sei nichts, was Bürger unbedingt von innen kennen müssten. Politische Staatslenkung sei keine Verwaltungsarbeit, allein bei letzterer bestehe Anspruch auf Information. Im Ergebnis handelt sich dabei um die Rekonstruktion eines staatlichen Arkanums, eines abgegrenzten Geheimbereichs – exakt das, was mit dem IFG eingerissen werden sollte. Eine Steilvorlage sei das für die Ministerien gewesen, die Schotten wieder dicht zu machen, klagt Schaar.

Vielleicht wird das Urteil aus Berlin von höheren Instanzen revidiert. Aber auch falls nicht, sollten die Ausnahmetatbestände gestutzt werden. Die zuständige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist nicht abgeneigt. Leider haben die Bürger noch zu wenig Fragen an ihren Staat. Was fehlt, ist öffentlicher Druck.

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